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Schwarzweiß-Filme und Filmentwicklung

Kurze Vorbemerkung: Wenn Sie gehofft haben, auf dieser Seite eine Film­empfehlung für optimale Schwarz­weiß­bilder zu bekommen, werden Sie ent­täuscht sein. Welcher Film in der Kamera ist, ist absolut zweit­rangig. Es gibt niedrig- oder hochempfindliche, fein- oder grobkörnige, billige oder teure. Das Angebot ist vielfältig und und mit allen kann man tolle Fotos machen. Wichtig für den SW-Foto­grafen ist dagegen das Eintesten der eigenen Materialien. Wozu das gut ist und wie das geht, habe ich hoffent­lich auch für Anfänger gut ver­ständlich zusammen­gefasst: Als →einfaches Eintesten ohne spezielle Geräte, und ein (nur was die Geräte betrifft) auf­wändi­geres →densito­metrisches Eintesten von SW-Filmen. Ein dafür ent­wickeltes Auswerte­programm kann dort herunter­geladen werden (für MS-Excel oder OpenOffice).


Unter den wenigen Schwarzweiß-Knipsern, die es heute noch gibt, werden Tipps, welcher →Film mit welchem →Entwickler die optimale Kombi­nation ergibt, hoch gehandelt. Film und Chemie, die ich verwende, sind auf jeden Fall optimal - für meine Zwecke. Anfängern kann ich nur davon abraten, alles auszutesten, was andere für gut halten. Weil man grund­sätzlich nicht alles glauben darf, was Werbung verspricht, empfehle ich, um heftig beworbene Spezial­filme und Wunder­entwickler besser einen großen Bogen zu machen. Was man leider auch nicht immer glauben darf, sind die auf den Film­schachteln aufgedruckten ISO-Empfindlich­keiten und die Entwick­lungs­zeiten in den Entwickler-Daten­blättern. Hersteller­angaben entsprechen nur selten dem, was ich für optimal halte. Das ist nicht nur meine Meinung, sonder all­ge­meiner Konsens bei erfahre­neren SW-Foto­grafen.

Daher mein wichtigster Tipp für Negativfilme:
Für den Anfang gegenüber der Hersteller­angabe um 1 Blenden­stufe über­belichten! Damit liegt man oft näher am Optimum als mit der aufge­druckten ISO-Angabe. Fall erfor­derlich kann man sich mit den nächsten Filmen dann von unten an die wahre Film­empfind­lich­keit und an den idealen Kontrast heran­tasten! Damit sollten die Negative immer gut brauchbar sein, und das gilt auch für Farb­filme. Bei normalen Motiven vertragen alle modernen Negativ­filme eine solche Über­belichtung, aber bei Unter­belichtung wären die Schatten­details unwieder­bringlich verloren. Nur mit wenigen Entwicklern (wie z.B. Microphen, A49, Xtol) kann man über­haupt die Nenn­empfindlich­keit erreichen. Ganz übel sind die Über­treibungen bei den höchst­empfindlichen Filmen (mit Schachtel­aufdruck 3200), die bis zur ange­gebenen Empfindlich­keit gepusht werden können. So steht das auch in den Hersteller-Daten­blättern, wenn man sie denn liest. Ungepusht, d.h. entwickelt auf üblichen Kontrast, haben die auch nur etwa 800-1000 ISO, und das wird mit zunehmender Über­lagerung auch schnell noch weniger. In diesem Zusammen­hang empfehle ich meine Anmerkungen zum →Pushen von SW-Filmen.

Jahrelang habe ich ausschließlich feinkörnige →Flachkristallfilme verwendet (Ilford Delta oder Kodak Tmax), mittlerweile bin ich überwiegend wieder bei Ilfords Klassiker FP4+ gelandet. Feinkörnigkeit ist nicht alles, das ist Geschmacks­sache! Entwickelt in Xtol (bzw. Adox XT-3) hat dieser Film eine lange gerade Kenn­linie. Ich kann einen solchen Film in schwierigen Zweifels­fällen etwas über­belichten, ohne dass die Tonwert­abstufung sich ändert. Beim Vergrößern muss ich dann lediglich etwas länger belichten. Eine ebenso schnur­gerade Kenn­linie bei den 400er Filmen hat der Kodak TMax400. Für’s →Pushen ist eine solche Kenn­linie aber nicht optimal! Daher nehme ich, um in Ausnahme­fällen diese Möglich­keit zu haben, auch gerne den Ilford HP5+.

Meine bewährten Film­empfindlich­keiten und Entwick­lungs­zeiten weichen fast immer von den Hersteller­empfehlungen ab. Das geschieht nicht durch →Pushen oder Pullen, sondern das ist dann die echte Empfind­lich­keit eben dieser Film-Entwickler-Kombination unter meinen indivi­duellen Bedingungen: mein Belich­tungs­messer, mein Leitungs­wasser, Kippen mit meiner rechten Hand, und so weiter, abgestimmt auf mein Lieblings­papier Ilford Multigrade RC und auf die Kontrast­wieder­gabe meines Dunco-Vergrößerers. Was ich weit­gehend konstant halte, sind Film­entwickler (Xtol bzw. XT-3), Verdünnung (Einmal­entwickler 1+1) und Kipp­rhythmus: erste Minute ständig, dann 10s nach jeder vollen Minute, d.h. 4× Kippen und dann eine Schwenk­bewegung zur Lösung von Luft­blasen (so wie ein Genießer das mit seinem Cognac-Glas macht). Abgekürzt lautet das bei mir 60/60/4×. Nur bei Entwicklungs­zeiten deutlich unter 10 Minuten verwende ich manchmal den von Kodak und Agfa favori­sierten 30-Sekunden-Rhythmus. Diesen hektischen Kipprhythmus mag ich nicht so gern, weil ich dann nicht gleichzeitig Filme entwickeln und Zeitung lesen kann.

Das alte Ilford Multigrade IV Papier arbeitete recht weich und kam mit kontrast­reichen Negativen gut zurecht; das war auf dem Grund­brett gemessen ein gamma ≈ 0,65. Weil die Nach­folge­version Multi­grade V härter arbeitet, muss ich dafür ca. 15% kürzer auf einen geringeren →Negativ­kontrast gamma ≤ 0,60 entwickeln. Das führt leider zu einer um etwa 1-2 DIN niedri­geren Film­empfind­lich­keit (1 DIN = 1 Teil­strich auf der ISO-Skala). Für die Arbeit auf reinen Kondensor-Vergrößerern müsste man den Negativ­kontrast und die tat­säch­liche Empfind­lich­keit noch ein bisschen weiter reduzieren. In ID-11 statt Xtol sind die Ergebnisse in der Qualität etwa vergleichbar, aber die echte Film­empfind­lich­keit liegt damit leider noch einmal mindestens 1 DIN niedriger.

Wie man jetzt leicht erahnen kann, ist die Angabe von indivi­duellen Entwick­lungs­zeiten und Film­empfind­lich­keiten wertlos ohne die gleich­zeitige Definition von Kipp­rhythmus, resul­tierendem gamma-Wert inkl. dessen Mess­methode, Foto­papier­sorte und Ver­größerer­typ. Nur ganz wenige Leser dieser Zeilen könnten meine Daten unmittel­bar auf ihre Bedingungen über­tragen. Auch wenn alle Anfänger sich solche Daten wünschen, verzichte ich hier darauf. Alles andere wäre nicht seriös, und wäre ledig­lich als grober Anhalts­wert zu verstehen, damit überhaupt etwas auf dem Film „drauf“ ist. Und das ist bei der relativ toleranten SW-Technik ohnehin kaum zu vermeiden.

Meine Allzweckfilme im 100-ISO-Bereich:

Höher empfindliche Filme nehme ich gerne für Innen­aufnahmen, Aufnahmen mit Tele­objektiven oder generell für die dunkle Jahres­zeit. Für Mittel­format, wo man wegen der licht­schwächeren Objektive schneller an die Verwacklungs­grenze kommt und wo Fein­körnig­keit zweit­rangig ist, nehme ich fast aus­schließlich einen der folgenden 400er Filme:

Die Abzüge mache ich auf Ilford Multi­grade RC, siehe dazu auch meine Erfahrungen mit der Ende 2019 erschienenen →5.Generation des Multi­grade RC-Papiers. Hoch­glanz­papier habe ich eher selten, auch wenn das den sichtbar besten Tonwert­reichtum bietet. Da ich die Abzüge auch in die Hand nehme und bei Besuchern herumreiche, hätte ich da zwangs­weise sehr unschöne Finger­abdrücke drauf. Daher gibt es bei mir über­wiegend halbmatt bzw. pearl als Ober­fläche. Mein Standard­format (auch für →Kontakt­abzüge) ist 18×24 cm, zum Aufhängen bevorzuge ich das Format 30×40 cm. Was ich mich in diesem Zusammen­hang schon immer gefragt habe: Warum hat sich seit der Ur-Leica das Klein­bild­format (und auch das digitale Vollformat) mit dem Seiten­verhältnis 2:3 so durchgesetzt? Kein Mensch braucht das. Ein gerahmtes Bild mit diesem Seiten­verhältnis sieht für mich nicht harmonisch aus. Die meisten Papier­formate haben ein Seiten­verhältnis 3:4 und es wird immer ein Teil der Original-Aufnahme abgeschnitten. Das kann man bei Weitwinkel-Aufnahmen im Stil eines Shift-Objektivs für Ausschnitt­ver­größe­rungen nutzen. Meist überwiegen aber die Nachteile. Kameras und Objektive für ein Format 24×32 könnte man für den kleineren Bild­kreis­durch­messer etwas kompakter und billiger bauen. Und auf demselben Film wäre dann ohne Qualitäts­verlust Platz für 41 Bilder. Ich mein’ ja nur …


Copyright © 2005-, Dr. Manfred Anzinger, Augsburg