Nein, dies ist keine Anlehnung an die „10 Gebote“, es gibt ja auch keine Todsünde. Hier sind einfach meine 10 wichtigsten Tipps, damit Einsteigern in die Fotografie mit SW-Film gute Ergebnisse leichter und ohne Frust gelingen. Für Farbfilm habe ich leider keine Tipps. Wenn es bunt sein soll, mache ich das digital.
1. Verwende nur 1 oder max. 2 seit langem bewährte Markenfilme!
2. Es gibt keinen Wunderentwickler!
3. Du sollst nicht pushen!
4. Starte mit Kleinbildfilm, der Rest kommt später!
5. Starte mit 50er Objektiv (kein Zoom), der Rest kommt später!
6. Starte mit einem der jüngeren Analog-Modelle der Kameramarke Deiner Wahl!
7. Verwende niemals die „Deppenautomatik“ Deiner tollen Kamera!
8. Vermeide frontale Blitz-Aufnahmen (außer Aufhellblitz bei Gegenlicht)!
9. Bei Gegenlicht (hohem Kontrast) immer um 1-2 Blendenstufen überbelichten!
10. Bei Fragen: Guck’ in meine SW-FAQ, dort ist (fast) alles ausführlich erklärt! :-)
Damit Sie nach dem Grund für diese Regeln nicht lange suchen müssen, finden Sie hier die dazugehörigen Links oder direkt eine Erklärung:
1. siehe "Welcher Schwarzweißfilm ist der beste?"
2. siehe "Welcher Entwickler ist der beste?"
Regeln 1+2 kurz zusammengefasst: Ich empfehle dringend die Einschränkung auf max. 2 Markenfilme
(100er im Sommer, 400er in der dunklen Jahreszeit) und nur 1 (in Worten: einen) Universal-Entwickler!
Das war vor vielen Jahren der erste und wichtigste Tipp, aus dem dann irgendwann eine umfangreiche
Tipp-Sammlung in Form der →SW-FAQ entstanden ist.
Natürlich muss es sich auch bei den ersten zaghaften Versuchen um frische Markenware handeln.
Sonst weiß man nie, ob ein Fehler am Material liegt oder ob man selbst gemurkst hat.
Meine konkrete Anfänger-Empfehlung für problemlose Handhabung wäre irgendein Film von Harman/Ilford/Kentmere
(d.h. derzeit einschließlich Agfaphoto APX aus dem Drogeriemarkt), weil die alle wunderbar glatt an der Leine hängen.
Fast alle anderen haben nach dem Trocknen einen unwiderstehlichen Drang, sich einzurollen.
Bitte Finger weg von dubiosen vergammelten Restbeständen und auch von Wunderfilmen dubioser Herkunft,
aber mit Verpackung und Handelsnamen, die Retro oder Vintage vorgaukeln!
3. siehe "Der Push-Pfusch"
4. Der Materialaufwand und damit die Hemmschwelle, auf die Schnelle mal etwas auszuprobieren, ist bei Kleinbildfilm gering. Mit „Ausprobieren“ meine ich jetzt etwas Kreatives, keine neue Film-Entwickler-Kombination! KB-Kameras sind relativ klein und leicht, manche sogar als immer-dabei-Kamera geeignet.
5. Für einen Einsteiger empfehle ich eine Kleinbild-Brennweite um die 50 mm, weil man damit gezwungen ist, sich bei der Motivauswahl auf das Wesentliche zu beschränken. Eine 85er Brennweite wäre dafür noch besser geeignet, aber als allgemeine Standardlinse ist sie doch etwas extrem. Festbrennweiten sind für Anfänger auf jeden Fall vorzuziehen, weil man damit sein Bild bewusster gestaltet: durch Vor-, Zurück-, Hin- und Hergehen („Turnschuh-Zoom“) statt eines schnellen Drehs am Zoom-Ring. Auch das kreative Freistellen des Hauptmotivs durch gezielt eingesetzte Hintergrundunschärfe erfordert ein lichtstarkes Objektiv wie etwa das für jede Marke günstig erhältliche 1,8/50er, das optisch nicht schlechter ist als das teurere 1,4er. Die Kameramarke und die Anzahl der Automatikprogramme sind erstmal völlig egal. Die Steuerung der Standard-Belichtungszeiten im Bereich von 1/30 bis 1/500 s kann kaum so vermurkst sein, dass man damit nicht fotografieren könnte.
6. Mit vielen Kameras, die 40 Jahre oder noch älter sind, kann man auch heute noch uneingeschränkt tolle Bilder machen. Aber das ein oder andere Schätzchen müsste erst mal dringend zum Service, und dem gehen oft schon die Ersatzteile aus (und auch die Spezialisten, die das noch reparieren können). Alte Belichtungsmesser mit der bis Mitte der 1970er-Jahre üblichen CdS-Messzelle und 1,35V-Quecksilber-Batterie erreichen nie die Präzision neuerer Geräte. Man hat auch das Risiko, dass die alten CdS-Zellen eines natürlichen Todes sterben. Die noch älteren Selen-Belichtungsmesser liefern ohnehin dubiose Messungen, wenn sie überhaupt noch reagieren. Alle diese Probleme kann man bei Befolgen meines Tipps umgehen. Bis etwa 2005 gab es noch in allen Fotoläden eine Super-Auswahl an neuen Analog-Kameras, die bis heute noch keine Altersleiden haben sollten. Hier finden Sie meine Kommentare zur Reihe der alten → Canon Kameras mit FD-Bajonett und zu den neueren → Canon EOS Kameras mit Autofokus. Natürlich gibt es auch andere tolle Marken, da kann ich aber nichts Qualifiziertes dazu sagen. Ich selbst stelle fest, dass ich mittlerweile meine ganz alten Kameras (wie die Ftb) weniger gern benutze, weil die Scharfstellung mit den dunkleren Mattscheiben ohne Schnittbild-Indikator deutlich mühsamer ist. Abzuraten ist von der Klasse der vollautomatischen Kompaktkameras. Diese waren nie auf lange Haltbarkeit oder gar Service-Freundlichkeit ausgelegt. Mangels Ersatzteilen sind die meisten Defekte irreparabel und wären wirtschaftlich ohnehin sinnlos. Trotzdem erreichen sie völlig abgehobene Auktionspreise, die oft ein Vielfaches des früheren Neupreises betragen.
7. Es gibt nichts Peinlicheres, als z.B. den Mailänder Dom, wie -zigfach beobachtet, aus 50m Entfernung mit automatisch ausklappendem Miniblitz zu knipsen. Dieser Vollautomatik-Modus und die Motiv-Programme, die es seit den 90er-Jahren in jeder besseren Kamera (außer Profi-Modellen) gibt, taugen wahrscheinlich für akzeptable Bilder, sind aber untauglich, um aus der Fotografie ein spannendes Hobby zu machen. Um Erfahrungen zu sammeln und langsam dieses Handwerk zu erlernen, reicht maximal eine abschaltbare(!) Zeit- oder Blendenautomatik, die man mit Belichtungskorrektur wie bei rein manueller Einstellung auch kreativ einsetzen kann.
8. Frontale Blitzaufnahmen erinnern mich immer an schlechte Bilder von Partys oder Hochzeitsfeiern: Der Hintergrund ist dunkel oder durch harte Schlagschatten entstellt. Auch der Gesamtkontrast ist für ein SW-Bild mit schönen Grautönen oft zu hoch. Und ein Fineprint mit schönen Grauabstufungen ist doch das Ziel, das wir alle anstreben!
9. Ein hoher Kontrast und/oder Gegenlicht verwirren die Belichtungsautomatik, die Schatten wären danach nur noch schwarze Löcher. Dagegen hilft nur: Überbelichten, am besten mit einer Belichtungsreihe, z.B. um 1,0/1,5/2,0 Blendenstufen. Noch besser wäre eine manuelle Belichtungseinstellung nach Spotmessung auf die Schatten. Wenn Sie das beherrschen, dann sind Sie aber schon kein Anfänger mehr - mein Glückwunsch! Das Negativ mit einem solchen Motiv ist dann natürlich auch sehr kontrastreich. Hier kann man mit Abzug auf weichem Papier gegensteuern oder bei wichtigen Bildern selektiv abwedeln/nachbelichten.
10. Schauen Sie immer mal wieder in meine →SW-FAQs rein.
Die Seite lebt und wird von Zeit zu Zeit ergänzt und aktualisiert.
Neben Antworten auf die Standardfragen (Welcher Film? Welcher Entwickler?)
gibt es auch reichlich speziellere Tipps aus jahrzehntelanger SW-Erfahrung.
Solche FAQ-Sammlungen liest man ja nicht wie einen Roman von oben bis unten,
aber man kann sich immer wieder Anregungen holen. Dort habe ich mittlerweile so viele eigene Erfahrungen niedergeschrieben,
dass ich sogar meine eigenen Internetseiten als überall verfügbares Nachschlagewerk verwende.
Genauso hilfreich könnte auch diese Seite sein: →Belichtungsmessung, aber richtig!
Auch wenn Sie keine Graukarte haben, sollten Sie dort als leicht Fortgeschrittener in meinen
→Anmerkungen zur Graukarte nachlesen,
warum die übliche integrale Belichtungsmessung NUR bei normalem Motivkontrast direkt richtige Werte
liefern kann und warum diese viel gelobte Graukarte für SW-Fotografen sowieso sinnlos ist.
Die obigen 10 Regeln sind meine Empfehlungen und betreffen nur die technische Seite der Fotografie auf SW-Film. Hier noch ein weiteres interessantes Beispiel für „10 Regeln“:
von Thomas Leuthard, gefunden in seiner Street Fotografie Waschanleitung (dort auf Seite 6).
Im Internet finden sich noch viele weitere Beispiele, wenn Sie nach „Fotografie 10 Regeln“ suchen. Die meisten dieser Aufzählungen enthalten sinngemäß, dass man erst die Technik beherrschen muss, bevor man sie kreativ einsetzen kann. Dazu kann ich mit meinen Seiten hoffentlich ein bisschen etwas beitragen.
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