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Diese Gruppe bestand ursprünglich nur aus der Rollei 35S. Nach einem Sturz war das Objektiv eingedrückt - ein Schaden, den ich für irreparabel hielt. Ich hatte eine Zeit lang die Hoffnung, bei Internet-Auktionen einen günstigen Ersatz zu bekommen, was nicht so einfach war. Ich musste erst die Erfahrung machen, dass dort unheimlich viel Schrott verhökert wird. Aber auf diese Weise habe ich für wenig Geld einige interessante Kameras an Land gezogen. Bei wirklich guten Exemplaren bieten leider oft internationale Sammler mit und treiben die Preise in uninteressante Höhen. Ich will damit nicht von solchen Versteigerungen abraten, aber man braucht dazu Erfahrung und Marktüberblick, sowie viel Zeit und Geduld.
Sie finden hier eine Kurzbeschreibung folgender Kameras:
→Rollei 35S, →Revue 400SE, →Olympus 35rc,
→Olympus AF-1 Twin, →Olympus XA,
→Olympus µ[mju:]-II, →Minox 35ML, →Revue 35XE
→Revue 3 = FED-3b, →Lomo Sprocket Rocket
(#) bedeutet: Diese Kamera benötigt eine nicht mehr hergestellte 1,35V-Quecksilberknopfzelle, alternativ eine 675-er Hörgerätebatterie oder Diodenadapter mit SR44, siehe auch →Quecky-Ersatz
- Rollei 35S (HFT-Sonnar 2,8/40mm) (#), wurde von 1974 bis 1998 verkauft, 1983 hat
mein Exemplar (Made in Singapore) 258 DM gekostet. Am Ende gab es diese
Kamera nur noch als Edelausführung mit Gold, Platin, Eidechsenleder oder
sonstigem Blödsinn, dafür zum knapp kalkulierten Preis von 9950 DM:
In der Summe aller ihrer Eigenschaften ist das trotzdem die beste Kompaktkamera aller Zeiten. Mit Objektiv von Zeiss und Belichtungsmesser von Gossen wurden hochwertige Komponenten verbaut. Die Bildqualität ist absolut tadellos, und die Vollmetall-Ausführung sorgt für einen hochwertigen Eindruck. Der einzige, nicht sehr gravierende Nachteil dieser Kamera ist, dass die Batterie für den Belichtungsmesser hinter der Filmpatrone sitzt und nur bei Filmwechsel zugänglich ist. Daher sind die kurzlebigen Zink-Luft-Hörgerätebatterien hier weniger geeignet und ich empfehle als Quecky-Ersatz die bewährte Kombination Diodenadapter+SR44. Wer unbedingt meint, er müsste Filter vors Objektiv schrauben, hat mit dem 30,5mm-Gewinde möglicherweise ein Problem. Das gilt auch für eine deutlich sinnvollere Streulichtblende.
Eine Warnung: Etliche CdS-Messzellen in meinen japanischen Kameras sind mittlerweile (d.h. im Zeitraum seit 2016) ausgefallen. Das kann jetzt Zufall sein, oder in der Rollei 35S wurde eine hochwertigere CdS-Zelle verbaut. In meinem 35S-Exemplar tut es der Belichtungsmesser jedenfalls noch einwandfrei, von Gerard Wiener in München umjustiert auf die Verwendung mit 1,55V SR44-Batterie. Leider ist Herr Wiener im August 2024 verstorben, ein schmerzlicher Verlust für viele Freunde analoger Fotografie! - Revue 400 SE (1,7/40mm) (#), ab ca. 1976 für 249 DM bei Foto Quelle;
nach meinen Recherchen in vielen Teilen baugleich mit Minolta Hi-Matic 7sII,
Konica Auto S3 und Vivitar 35ES, alle hergestellt von Cosina in Japan.
Das ist eine gute Kamera mit Mischbildentfernungsmesser, Blendenautomatik und einem lichtstarken, superscharfen, aber streulichtempfindlichen Objektiv. Mangels manueller Einstellmöglichkeit der Blende geht hier ohne Batterie leider gar nichts. Der mechanische Verschluss löst ohne Batterie zwar richtig aus, aber die Blende steht immer auf 1,7. - Olympus 35rc (2,8/42mm) (#), Erscheinungsjahr 1970:
ähnliches Prinzip wie die Revue 400SE, aber besserer Mischbildentfernungsmesser und infolge der geringeren Lichtstärke etwas kompakter. Wie die 400SE hat auch diese Olympus die gleich aufgebaute und nicht mehr besonders zuverlässige Blendenautomatik mit schwächelndem CdS-Fotowiderstand. Die Belichtung schwankt willkürlich zwischen 1→EV Unter- und Überbelichtung. Diese Kamera funktioniert jedoch auch bestens ohne Batterie mit manueller Einstellung von Zeit und Blende. Das Objektiv liefert absolut brauchbare Bilder. Es ist weniger empfindlich gegen Streulicht, dafür nicht ganz so scharf wie das an der 400SE. - Olympus AF-1 Twin, 3,5/35mm oder 6,3/70mm umschaltbar:
Was man bei dieser Kamera beachten muss, ist die automatische Ablesung der Filmempfindlichkeit von der DX-codierten Patrone. Probleme bekommt man da z.B. mit Fuji Acros oder Tmax100. Das sind offiziell 100er Filme, die aber mit vielen Entwicklern eher bei 64 ISO liegen und daher sichtbar unterbelichtet werden. Man bräuchte dafür einen Entwickler, in dem sie mindestens auf Nennempfindlichkeit kommen (z.B. A49). Gut geeignet sind dagegen HP5+, Kentmere 400, TriX oder Tmax-400 mit echten ISO-400 in Kombination mit meinem Standardentwickler Xtol.
Die Vollautomatik funktionierte gut, auch ganz ohne manuelle Einstellmöglichkeiten. Für die Jacken- oder Hosentasche ist sie leider zu dick. Wahrscheinlich wegen jahrelanger Nicht-Benutzung hat sie sich beim letzten Test leider als defekt erwiesen. - Olympus XA (2,8/35mm) hergestellt von 1979 bis 1985
Die Super-Kompakte für die Jackentasche mit 6!-linsigem Objektiv. Trotz dieses Aufwandes wird die Vignettierung erst ab Blende 8 erträglich. Der Sucher ist leider so funzelig, dass auch der eingebaute Mischbildentfernungsmesser nicht viel nützt. Die noch in Umlauf befindlichen Exemplare sind außerdem schon so alt, dass gut erhaltene und voll funktionierende XAs Seltenheitswert haben. Mein Urteil: nicht so gut wie ihr Ruf! Andere Kompaktkameras aus dieser Epoche mit ausklappbarem Objektiv (Rollei 35, Minox 35) haben bei der Abbildungsqualität klar die Nase vorn. - Olympus µ[mju:]-II (2,8/35mm), hergestellt von 1996 bis 2007
ähnlich kompakt wie die alte XA, in der Bildqualität aber eindeutig besser. Nach der bewährten Regel „Es gibt nichts umsonst“, hat die extreme Miniaturisierung auch einige Nachteile. Der Sucher ist genauso funzelig wie bei der XA, aber man braucht hier nichts einzustellen oder abzulesen. Leider hat die mju-II ausschließlich schnöde Vollautomatik mit einer Priorität auf kurze Verschlusszeiten und als Konsequenz meist offener Blende. Wie nicht anders zu erwarten, ist die Abbildungsqualität bei offener Blende nicht so berauschend. Da haben auch deutlich teurere Objektive ihre Probleme. Die notwendige Folgerung ist: Immer 400er Film einlegen, damit die Programmautomatik die Blende etwas zumacht!
Mangels Anzeige weiß man leider nie, welche Zeit oder Blende gerade gewählt ist. Nicht einmal eine Warnung bei langen Belichtungszeiten gibt es. Da die motorische Scharfstellung erst nach Durchdrücken des Auslösers erfolgt, hat diese Kamera eine gehörige Auslöseverzögerung und ist daher für Schnappschüsse eher ungeeignet.
Wie bei der →AF-1 Twin gibt es ausschließlich DX-Ablesung in ganzen Stufen, d.h. die von der Patrone abgelesene Nennempfindlichkeit wird immer auf ISO 100-200-400... abgerundet.
Ich habe mich mit all diesen Nachteilen abgefunden, da die Entfernungs- und Belichtungs-Automatik in Kombination mit dem Messwertspeicher gut funktioniert. Vor allem ist die Bildqualität unter den genannten Einschränkungen kompromisslos gut.
Nachdem sie einmal runtergefallen ist, hat sie mehrere nicht auffindbare und sehr lästige irreparable Wackelkontakte (geht / geht nicht). Ein Ersatzkauf ist an den horrenden Preisen gescheitert, die mittlerweile dafür aufgerufen werden. Diese superkompakte Olympus µ-II ist ein abschreckendes Beispiel: 2004 für 130 € im Handel erhältlich, 2009 (2 Jahre nach Produktions-Stop) in Bestzustand für 40 € gekauft, ist heute ohne Risiko nicht unter 200 € zu haben. Ähnlich ist es mit der Pentax Espio mini oder noch extremer mit der Contax T. Gute Minikameras sind derzeit extrem gefragt und dadurch stark überteuert. - Minox 35 ML, hergestellt von 1985 bis 1995:
Diese Kamera ist so winzig, dass sie mich einfach fasziniert. Meinen Schmerz über die nicht reparierbare µ-II hat sie mittlerweile vollständig verdrängt. Die Minox hat keinen Autofocus, keine automatische DX-Empfindlichkeitseinstellung und wegen möglicher Probleme mit dem Verschluss noch dazu einen zweifelhaften Ruf. Daher sind diese Kameras halbwegs preisgünstig. Die ML hat unter den vielen Minox-Varianten mit ihrer Silizium- statt CdS-Photozelle eine Sonderstellung. Man benötigt daher auch keine Ersatzlösung für die ursprünglich notwendige →Quecksilber-Batterie. Die Zeit- oder Programmautomatik mit Messwertspeicherung funktioniert bei meinem Exemplar ausreichend genau, und die Einstellmöglichkeiten sind viel flexibler als bei Autofocus-Knipsen. Das Kameradesign ist genial und erlaubt mit feinmotorisch geschickten Fingern und nicht zu kurzen Fingernägeln eine problemlose Handhabung. Wie alle vierlinsigen Tessartypen sollte man auch das 2,8/35mm Minotar nicht bei offener Blende nutzen, auch schon deswegen, weil die Entfernung geschätzt werden muss. Etwas abgeblendet sind die Bilder aber überraschend scharf und kaum von denen zu unterscheiden, die mit einem SLR-Boliden gemacht wurden. An die Qualität des Sonnars in meiner Rollei 35S reicht das Objektiv leider nicht ganz heran. Diese Rollei 35S spielt einfach in einer anderen Liga, passt aber auch nicht wirklich in eine Jackentasche oder in mein „Wimmerl“ (bayrisch für Gürteltasche). - Revue 35XE (identisch mit Balda CE35): Ein früherer Konstrukteur der Minox 35 Kameras hat mit seinem Wissen auch diese Kamera geschaffen. Es ist aber kein Minox-Klon, sondern eine völlig eigenständige, ebenso kompakte Entwicklung der Balda-Kamerawerke, einem damaligen Zulieferer von Minox. Foto-Quelle hat diese Kamera dann unter der Marke Revue in sein Programm aufgenommen. Das Objektiv, ein 2,8/38mm Revuenon = Baldanon = Color Skopar, ist ähnlich wie bei der Minox 35 ein 4-linsiger Tessartyp. Die Kamera hat wie die Minox 35ML eine Programmautomatik mit Gegenlichtkorrektur (2x) und Warnung bei Belichtungszeiten unter 1/30s. Trotz CdS-Zellen arbeitet die Belichtungsautomatik mit 2 SR44 oder LR44-Batterien tadellos, d.h. sie braucht keine →Quecksilber-Knopfzellen. Was fehlt, ist leider die Messwertspeicherung nach Antippen des Auslösers. Dafür ist der große Sucher mit Entfernungsanzeige und Parallaxmarken deutlich besser gelungen. Ich mag sie beide als echte Immer-dabei-Kameras, die Minox und die Balda.
- Revue 3 = FED-3b mit M39-Wechselobjektiv Industar-61 (2,8/52mm, 4-linsiger Tessar-Typ),
russischer Nachbau der Leica M3;
Mein Exemplar ist leider nur ein (zu?) billig ersteigertes Spielzeug. Der Entfernungsmesser hat sich als nicht justierbar erwiesen und der zweite Verschlussvorhang bewegt sich nur gaaanz langsam. Ob die Linse etwas taugt, habe ich daher noch gar nicht ausprobiert, weder an der Kamera noch am Vergrößerungsgerät. Mit dem M39-Anschluss hätte ich hier möglicherweise ein ideales Objektiv für Wand-oder Bodenprojektion, also für Vergrößerungsmaßstäbe, für die ein Rodagon oder Componon nicht mehr vorgesehen ist. - Lomo Sprocket Rocket, garantiert unvergütetes Objektiv 10,8/30mm, abblendbar auf ca. Blende 16 (Symbole Wolke/Sonne), für Panoramabilder 70×24mm mit Lomo-Effekt auf Kleinbildfilm, wahlweise 70×33 mit belichtetem Perforationsrand. Bei normalem Kleinbildformat bräuchte man für diesen Bildwinkel eine Brennweite 15mm. Leider kann ich mit meinem Dunco-Vergrößerer nur einen 56mm breiten Ausschnitt daraus vergrößern. Für gelegentliche Experimente ist das aber ganz nett, vor allem, wenn ich den belichteten Perforationsrand mit auf dem Bild habe. Ansonsten hat diese Plastikkamera alles, was andere nicht haben: nur 1 Verschlusszeit (ca. 1/100s) und B, schlechter Sucher, Vignettierung, Randunschärfe, Verzeichnung und wenn man nicht aufpasst auch Doppelbelichtung.
Mein persönliches Fazit zu KB-Sucherkameras der 70er und 80er-Jahre: Robuste Metallkonstruktionen (vor allem Leica M-Varianten oder Rollei 35S) waren und sind immer noch top! Bei vielen Plastik-Ausführungen handelt es sich leider um Massenprodukte für Gelegenheits- und Urlaubsknipser, d.h. sie wurden ausgelegt auf 2 Filme pro Jahr und nicht auf Haltbarkeit. Für die übliche Vergrößerung auf Albumformat 9×13 cm hat auch die optische Qualität locker gereicht. Wenn solche Kameras heute noch funktionieren, hat man Glück gehabt, und man hat damit eine mittelmäßig kompakte Kamera mit mittelmäßiger Bildqualität, wie z.B. die vielen Varianten der Agfa Optima Kameras (mit dem roten Sensor-Auslöser). Auch ehemalige „Geheimtipps” haben mittlerweile natürliche Altersprobleme. Vor allem falsch anzeigende und nicht mehr justierbare CdS-Messzellen sind bei fehlender manueller Belichtungseinstellung ein Todesurteil.
Copyright © 2005-, Dr. Manfred Anzinger