Übersicht
• Brauche ich einen Handbelichtungsmesser?
• Brauche ich eine Graukarte?
• Anmerkungen zur 18%-Graukarte
• Belichtungsmessung nach Norm
• Lichtwert LW ↔ Exposure Value EV
• Filmempfindlichkeit nach ISO
• Welcher Belichtungsmesser ist der beste?
Zum Thema Belichtungsmessung gibt es zahlreiche Veröffentlichungen und zusätzlich ’zig Abhandlungen im Internet, auch von angeblichen Profis. Aber heute darf sich jeder „Fotograf“ nennen und mit einer schicken Homepage gewerblich auftreten. Daher habe ich es für sinnvoll gehalten, nochmal was darüber zu schreiben, weil ich immer wieder viel Unfug lese und vor allem auf YouTube sehe. Mit folgenden Ausführungen zur Belichtung hoffe ich, die nicht ganz so einfachen Tatsachen verständlich zu erklären. Denn im bequemen Vollautomatik-Modus zu fotografieren, eine manuelle Belichtungsmessung durchzuführen oder eine Aufnahme richtig zu belichten, ist nicht immer das gleiche!
Bitte beachten: Alle hier folgenden Ausführungen gelten für Negativfilme, die sich in Sachen Belichtung recht tolerant verhalten. Die richtige Belichtung von Diafilmen erfolgt nach etwas anderen Regeln. Ein Diafilm hat z.B. kaum einen Belichtungsspielraum, sondern die Belichtung muss auf den Punkt genau sitzen. Man orientiert sich beim Dia auch eher an den Lichtern als an den Schatten. Mein Eindruck ist, dass sich die Kalibrierung von Belichtungsmessern in meinen älteren Kameras am Negativ orientiert, neuere Kameramodelle haben eher den Diafilm im Fokus und tendieren vor allem bei Belichtungsautomatik zur Unterbelichtung von Negativfilmen. Das muss man dann eben durch eine kreative ISO-Einstellung kompensieren. Weil ich schon seit Jahren keinen Diafilm mehr in der Kamera hatte, möchte ich hier nicht näher auf dessen Besonderheiten eingehen. Auch Digitalkameras haben ihre eigenen Regeln für Fortgeschrittene. Bei RAW-Fotografie gibt es für das Histogramm z.B. die ETTR-Regel: “Expose To The Right”.
Zumindest mit modernen Kameras, die es natürlich auch für Film gibt, scheint Belichtungsmessung ganz einfach zu sein, sofern man sich gar keine Gedanken darüber macht und mit der eingebauten Matrix- oder Mehrfeldmessung fotografiert. Diese erfasst auch Kontraste innerhalb des Bilds und macht dann etwas daraus. Für unbeschwerte Urlaubs- und vor allem Porträtknipserei funktioniert das erstaunlich gut. Weil man aber nie weiß, was irgendein Algorithmus der Kameraautomatik macht, ist das Ergebnis vor allem bei hohen Kontrasten nicht vorhersehbar und für kreative Gestaltung oder gezielte Belichtungskorrekturen nicht zu gebrauchen. Daher ist bei richtiger Anwendung die uralte mittenbetonte Integralmessung vorzuziehen. Im Idealfall macht man eine Spotmessung auf die Schatten und legt auf dieser Basis die Belichtung fest, abhängig von Kontrast des Motivs, wahrer Filmempfindlichkeit und Dichtekurve der verwendeten Film-Entwickler-Kombination.
Eine moderne Mehrfeldmessung mit Vollautomatik ist für Fotoreporter oder Hochzeitsfotografen heute natürlich ein must have. Für Amateure, die sich ohne kommerziellen Druck Zeit für ihr Hobby nehmen können, ist das nur noch nice to have. Bei Fotografie als gestalterischer Tätigkeit ist dagegen eine Automatik eher behindernd und man kommt endgültig nicht darum herum, sich genauer mit Belichtungsmessung zu beschäftigen. Man liest z.B. überall, dass man bei überdurchschnittlichem Kontrast flexibel eine niedrigere Filmempfindlichkeit ansetzen muss. Auch Nacht- und Dämmerungsaufnahmen erfordern Korrekturen, damit die Fotografie die dunkle Szene richtig wiedergibt. Ein ebenfalls oft genanntes Beispiel ist die Fotografie einer weißen Katze im Schnee oder einer schwarzen Katze auf dem Kohlenhaufen. Nach Belichtungsmesser sind alle Katzen grau.
Solche Aufnahmen überlässt man also nicht stur irgendeiner Automatik, sondern sie werden nach Erfahrung oder nach manueller Messung gezielt über- oder unterbelichtet. Das Ergebnis entspricht hoffentlich einer richtigen Belichtung, die leider alles andere als eindeutig ist. Unterschiedliche Betrachter ein und desselben Fotos könnten hinsichtlich Helligkeit und Kontrast unterschiedliche Vorlieben haben. Eine Belichtungsmessung rein wissenschaftlich und damit automatisierbar zu definieren, scheint dann doch nicht so einfach zu sein. Einige Grundlagen und Details dazu habe ich in den folgenden Kapiteln hoffentlich verständlich erläutert. Mit kreativer Fotografie hat das natürlich noch gar nichts zu tun, aber das sind die ersten Schritte auf dem Weg, die Technik kreativ einsetzen zu können.
Motivkontrast = Beleuchtungskontrast × Objektkontrast
Diese Weisheit (eigentlich eine Selbstverständlichkeit) ist nicht auf meinem Mist gewachsen, sondern stammt von Andreas Feininger, dessen Bücher ich sehr schätze:
Motivkontrast ist Beleuchtungskontrast multipliziert mit Reflexions- oder Objektkontrast.
(Feininger denkt beim Kontrast wohl an eine lineare Skala, ich denke in meinen folgenden Ausführungen jedoch logarithmisch in →EV-Werten und muss daher Beleuchtungs- und Objekt-Kontrast addieren.)
Natürlich fotografiere auch ich am liebsten mit Belichtungsautomatik. Die jetzt folgenden Ausführungen sind daher keine Empfehlungen für die alltägliche fotografische Praxis, sondern lediglich wichtig für das Verständnis der Zusammenhänge.
Ein Objekt, das wir fotografieren wollen, besteht aus hellen und dunklen Oberflächen, d.h. aus Oberflächen, die aufgrund ihrer Farbe und Struktur mehr oder weniger Licht reflektieren können. Wenn alle(!) Flächen des Motivs mit der gleichen Lichtmenge ausgeleuchtet würden, wäre der Beleuchtungskontrast gleich Null und ganz alleine der Objektkontrast würde die erforderliche Belichtung bestimmen. Weil es aber fast immer Objektbereiche gibt, die z.B. im Vordergrund viel Beleuchtung abbekommen, und im Gegensatz dazu Bereiche, die im dunklen Schatten liegen, ist der Beleuchtungskontrast genauso wichtig. Bereiche mit identischer Farbe und Oberfläche können dadurch im späteren Bild eine stark unterschiedliche Helligkeit aufweisen. Wer einem Profi bei der Arbeit zuschaut, kann feststellen, dass dort mit Strahlern und Aufhellschirmen ganz gezielt der Beleuchtungskontrast hingefummelt wird, bis er passt.
Jetzt könnte die Graukarte ins Spiel kommen, aber auch jedes gewöhnliche Blatt Papier kann dafür verwendet werden. Man misst mit einem Spotmeter dieses Blatt einmal in der am hellsten beleuchteten Zone und einmal im dunkelsten Schatten an. Die Differenz in Blendenstufen (oder →EV-Werten) ist der Beleuchtungskontrast. Einfacher als mit einem Blatt Papier geht das mit einem Handbelichtungsmesser mit Diffusor und Lichtmessung statt der üblichen Objektmessung.
Bei einer integralen Objektmessung (egal ob mit Kamera oder Handbelichtungsmesser) wird jede Art von Helligkeitsverteilung und Kontrast vernachlässigt und immer dumm ein Mittelwert über den gesamten Messwinkel gebildet. Dass eine solche Belichtungsmessung ziemlich daneben liegen kann, ist jetzt eigentlich klar. Man kann eher von Glück reden, wenn damit 80% aller Bilder noch okay sind. Einen kleinen Teil der Bilder hätte man knapper belichten können, was bei richtig entwickeltem Negativfilm im nachfolgenden Positivprozess ausgeglichen werden kann. Der Rest ist unterbelichtet mit unwiederbringlich verlorenen Schattenbereichen, die überhaupt keine Konturen aufweisen.
Wenn man diese fundamentale Grundlage verstanden hat, fällt jetzt die Entscheidung leichter, ob man unbedingt einen →Handbelichtungsmesser oder eine →Graukarte braucht.
Brauche ich einen Handbelichtungsmesser?
Wer digital fotografiert, kann auf einen externen Belichtungsmesser sowieso verzichten. Aktuelle Speicherkarten bieten Platz für Tausende von Bildern, also sollte man in allen zweifelhaften Fällen Belichtungsreihen mit abgestuften Einstellungen aufnehmen. Weil die Hersteller wissen, dass einer Belichtungsmessung nicht immer getraut werden kann, unterstützen die allermeisten Kameras das komfortabel. Bei der Betrachtung zu Hause am Monitor löscht man dann hoffentlich alle jpeg-Aufnahmen bis auf die mit der sichtbar besten Belichtung, oder alle Raw-Aufnahmen bis auf die mit dem ausgeglichensten Histogramm ohne abgeschnittene Lichter und Schatten. Weil bei analoger Fotografie jede einzelne Aufnahme ein bisschen Geld kostet, hält mich schwäbische Sparsamkeit von allzu häufiger Anwendung solcher Belichtungsreihen ab, auch wenn das in allen Situationen, die vom Tageslicht-Standard abweichen, die sicherste Methode wäre.
Bei so manchem alten Gerät mit dem bis Mitte der 1970er Jahre üblichen CdS-Fotowiderstand zeigt dieser mittlerweile fehlerhafte Messungen, ist nicht mehr kalibrierbar oder ist ganz ausgefallen. Wenn die Kamera eine manuelle Zeit- und Blendeneinstellung ermöglicht und ein ordentliches Objektiv hat, ist ein ausgefallener Belichtungsmesser kein Grund, sie nicht weiter zu benutzen. Hier empfehle ich als kompakte immer-dabei-Lösung den Sekonic Twinmate L-208 (siehe unten meinen →Belichtungsmesser-Vergleich). Ein angenehmer Nebeneffekt eines aktuellen Handbelichtungsmessers ist, dass man keine Notlösungen für den Ersatz der alten →Quecksilber-Knopfzellen mehr braucht.
Wer seine Film-Entwickler-Kombination noch nicht eingetestet hat (siehe →Filme eintesten), für den wird ein Handbelichtungsmesser keine Verbesserung bringen. Das ist nichts Schlimmes. Diese Fotografen sollen einfach weiterhin versuchen, mit ihrer Vollautomatik glücklich zu werden, was für locker 80% aller Urlaubsbilder zutrifft (und dank KI-Automatik wahrscheinlich auf 95% aller Aufnahmen mit aktuellen Smartphones).
Ansonsten lautet meine Antwort zunächst auch: Nein, Sie brauchen keinen Handbelichtungsmesser, wenn die verwendete Kamera einen ausreichend genauen Belichtungsmesser eingebaut hat, was vermutlich der Fall sein wird. Die geschickt eingesetzte Integralmessung einfacher Kameras ist oft schon ausreichend. In komplizierteren Fällen kann man mit jedem eingebauten Belichtungsmesser auf die Schatten des Motivs messen, man muss mit der Kamera nur nahe genug an sein Motiv herangehen, ohne den eigenen Schatten auf das Motiv zu werfen. Moderne Spiegelreflexkameras erleichtern das ganz wesentlich durch Umschaltung auf Selektiv- oder Spotmessung. Ein Handbelichtungsmesser mit Objektmessung kann das auch nicht besser, er erledigt diese Arbeit eventuell etwas bequemer. Nach der obigen Definition von Feininger messe ich mit dieser Objektmessung nicht den Objektkontrast, sondern den Motivkontrast, also das Ergebnis aus Beleuchtung und Reflexion. Der angemessene Schatten, der gerade noch leichte Detailzeichnung erhalten soll, wird dann um 3 Blenden unterbelichtet und alles ist gut (bei einem sorgfältig eingetesteten Film = Zone II nach →Ansel Adams’ Zonensystem). Eine ausführliche Kontrastmessung inklusive der hellsten Lichter ist gar nicht immer nötig. Die meisten Film-Entwickler-Kombinationen bieten hier reichlich Reserven.
Ein durch Spotmessung ermittelter Motivkontrast hilft mir bei der Abschätzung, ob ich später im Labor diesen Kontrast noch auf einen ordentlichen Abzug drauf bekomme. Mit modernen (und eingetesteten) Gradationswandelpapieren ist hier einiges möglich. Schwierig wird es für einen Standard-SW-Prozess erst ab einem Kontrast von 7 oder mehr Blendenstufen. Man muss sich dann entscheiden, ob die Details in den Schatten oder in den Lichtern wichtiger sind. Selbst mit weicher Papiergradation kommt man beim Vergrößern an ein Limit. Abhilfe bieten hier z.B. ein Aufhellblitz für den Vordergrund, eine →Vorbelichtung des Films und/oder des Papiers, die Filmentwicklung mit →Ausgleichsentwickler oder bei Planfilm eine →„N−“ Entwicklung. Wenn man bei derart hohen Motivkontrasten auf die Schatten belichtet, besteht vor allem bei Kleinbildfilm die Gefahr, dass die Lichter durch Streuung in der Emulsionsschicht überstrahlen. Das gilt auch für moderne Filme, bei denen eine lange gerade Kennlinie vermuten lässt, dass sie diesen Kontrast wiedergeben könnten. Man muss sich also wirklich entscheiden. Lediglich Großformat-Fotografen können die Dichtekurve über die Zone IX hinaus ausnutzen. Die Überstrahlungen an den Kanten der Spitzlichter wirken sich bei großen Negativen nicht so gravierend aus. Daher korrigieren die Anhänger von Großformat und →Zonensystem ihre Belichtungsmessung auf 1 EV Überbelichtung, bzw. legen ihre perfekt durchgezeichneten Schatten auf Zone III. Die Lichter werden notfalls durch angepasste N− Entwicklung gebändigt. Weil Großformatkameras ohnehin immer auf einem Stativ stehen, spielt diese effektive Halbierung der Filmempfindlichkeit keine Rolle.
Schwierig wird es immer, wenn man für eine Detailmessung nicht nahe genug an die Schatten herangehen kann, z.B. bei Landschaftsaufnahmen. Das beste in solchen Fällen ist ein nicht ganz billiger und nicht mehr so richtig handlicher 1°-Spotbelichtungsmesser. Die Spotmessung besserer Spiegelreflexkameras ist für genaue Zonenmessungen noch unbrauchbar. Den 1°-Messwinkel erreicht man damit erst bei etwa 300mm Brennweite. Genauso wenig taugen diverse 5°-Vorsätze zu manchen Handbelichtungsmessern. Jetzt kommt der angebliche Vorteil eines Handbelichtungsmessers mit Diffusor: Er ermöglicht die Lichtmessung, die integral das Licht bewertet, mit dem ein dreidimensionales Objekt beleuchtet wird. Eine Halbkugelkalotte erfasst dabei alle Lichtquellen in dem Halbraum vor dem Motiv. Der Landschaftsfotograf misst damit z.B. vom Motiv wegzeigend locker über die Schulter nach hinten. Weil alle Belichtungsmesser einen „normalen“ Motivkontrast annehmen, sorgt das Messergebnis auch nur in solchen Fällen für eine richtige Belichtung. Was normal ist, entscheidet der Hersteller. →Normen geben immer nur Empfehlungen. Man muss also sein Gerät kennen und gegebenenfalls nach Erfahrung korrigieren (oder systematisch eintesten). Sehr gut geeignet ist diese Lichtmessung mit Diffusor lediglich für die Ermittlung des Beleuchtungskontrasts, weil der absolute Anzeigewert dabei egal ist. Jahrzehntelanges Marketing der Belichtungsmesser-Hersteller und zahlreiche Anleitungen in der Fotoliteratur haben den Eindruck erzeugt, dass Lichtmessung immer eine richtige Belichtung garantiert, was einfach nicht zutrifft. Der einzige Vorteil dieser Lichtmessung gegenüber der Objektmessung ist, dass die absolute Helligkeit des Objekts das Messergebnis nicht verfälschen kann. Das führt zwar zu einer Verbesserung, aber leider nicht immer zu einer richtigen Belichtung.
Wirklich professionelle Belichtungsmesser bieten sogar zwei Methoden der Lichtmessung: standardmäßig eine integrale Lichtmessung mit Halbkugelkalotte und zusätzlich eine selektive Messung einzelner Lichtquellen mit flacher Streuscheibe zur genauen Ermittlung des Beleuchtungskontrastes. Die flache Streuscheibe dient auch zur fotometrischen Messung der Beleuchtungsstärke in Lux.
Warum wir nach integraler Objekt- oder Lichtmessung trotzdem oft richtig belichtete Bilder erhalten, liegt daran, dass viele Motive bei Reflexion oder Kontrastumfang einem Mittelwert ähneln, der bei der Kalibrierung des Belichtungsmessers zugrundegelegt wurde. Hilfreich ist auch, dass die gesamte Verfahrenskette vom Druck auf den Auslöser bis zum fertigen Bild noch einige Korrekturmöglichkeiten enthält. Das gilt für analoge und digitale (Raw-) Fotografie gleichermaßen. Ein rundum tolles Foto, auf das man stolz sein kann, sollte möglichst wenig nachträgliche Tricksereien erfordern. Was ich damit sagen möchte: Bei Fotografie als ernsthaft betriebenem Hobby oder gar Gewerbe lohnt es sich, wenn man die Technik verstanden hat und richtig einsetzen kann. Für diesen Lerneffekt kann ein Handbelichtungsmesser, im Idealfall ein 1°-Spotbelichtungsmesser, sehr hilfreich sein.
Zur Erinnerung: Ganz ohne Messung gibt es noch die “Sunny-16”-Regel, in den dunklen Monaten abgewandelt zu Sunny-8 (Dez., Jan.) bis Sunny-11 (Nov., Feb.). Wenn man Zeit hat und in aller Ruhe fotografieren kann, sollte man vorweg die Belichtung abschätzen und erst danach messen. Mit etwas Erfahrung liegt man da erstaunlich oft richtig. Diese Sunny-16-Regel ist übrigens in den Exposure Calculator von Andy Lawn fest eingebaut, und dieser Belichtungsmesser passt in jede Fototasche noch rein.
Nachtrag für Freunde der Physik:
Für mitteleuropäische Durchschnittsmotive in der Mittagssonne gilt etwa:
- im Sommer (60° Sonnenhöhe): EV 15; Lichtmessung 80000 lx; Objektmessung 4000 cd/m²
- im Winter (16° Sonnenhöhe): EV 13; Lichtmessung 20000 lx; Objektmessung 1000 cd/m²
(→EV hier für Filmempfindlichkeit 100 ISO)
Brauche ich eine Graukarte?
Meine Antwort lautet ganz klar: Nein! Wenn Sie auf die Werbung hereingefallen sind und in schwierigen Fällen mit Messung auf eine 18%-Graukarte eine genauere Belichtung erhoffen, muss ich Sie enttäuschen. Das erste Problem ist bereits, dass Sie zur Messung mit einem Belichtungsmesser recht nahe an die Graukarte herangehen müssen, ohne diese abzuschatten und ohne die Messung durch Umgebungsstreulicht zu verfälschen. Mit den Messwinkeln einfacher Handbelichtungsmesser ist das so gut wie unmöglich. Besser geht das aus größerer Distanz mit einem hochwertigen, teuren Spotbelichtungsmesser. Aber wer so etwas hat und damit umgehen kann, braucht erst recht keine Graukarte. Eine richtig ausgeführte Nah-Messung auf eine mit dem echten Motiv vergleichbar ausgeleuchtete Graukarte bringt zwar einen sauberen mittleren Messwert, der nicht durch Objektbereiche mit stark unterschiedlicher Reflexion verfälscht wird. Eine „richtige“ Belichtung ist das aber nicht immer, auch wenn viele selbsternannte Spezialisten das so behaupten. Das Internet ist eben geduldig, und jeder kann seinen Senf dazu geben und mit Werbe-Links drumherum dekorieren.
Die →Kalibrierung von Belichtungsmessern basiert auf von dieser Graukarte unabhängigen genormten Gesetzmäßigkeiten. Wenn Sie also irgendwo etwas von dieser 18%-Kalibrierung lesen, ist der entsprechende Artikel einfach sachlich falsch. Sogar die Marketing-Leute von renommierten Firmen schwafeln (wahrscheinlich nach einer Google-Recherche) von diesen 18%, statt sich von den hauseigenen Ingenieuren und Physikern beraten zu lassen oder die Normen zu lesen.
Weitere Probleme ergeben sich daraus, dass auch eine hochwertige Graukarte nicht ideal diffus reflektiert, und dass reale Fotomotive meistens keine ebenen Flächen darstellen, sondern dreidimensionale Objekte sind, die durch Licht aus jeder Raumrichtung beleuchtet werden. So einfach wie man sich das vorstellt, ist die Arbeit mit der Graukarte letztendlich also nicht, schön demonstriert z.B. hier im amerikan. photrio-Forum: “Kodak Grey Card Usage”. Spätestes wenn man diese Bildbeispiele gesehen hat, verliert man jeden Glauben an eine Graukartenmessung.
Auch eigene Spotmessungen auf eine konstant diffus beleuchtete Kodak-Graukarte schwanken um ½EV, je nachdem ob ich frontal, leicht schräg von links oder von rechts messe. Was ist der richtige Wert? Darauf könnte man natürlich antworten, dass es auf ½EV doch sowieso nicht ankommt. Aber dann dürfte man keinen Diafilm in der Kamera haben. Man könnte dann auch fast immer auf jede Art von Belichtungsmessung verzichten und nach der bewährten “Sunny-16”-Regel belichten.
Vergleichbar mit einer richtigen(!) Messung auf die Graukarte nach der ausführlichen Kodak-Anleitung ist ein Handbelichtungsmesser mit Halbkugelkalotte und der schon erwähnten Lichtmessung. Man misst damit nicht das Licht, das von einem beliebigen Motiv in Richtung Kamera reflektiert wird, sondern die Stärke der im Halbraum verteilten Lichtquellen, die das Motiv beleuchten. Wer also einen Handbelichtungsmesser mit Lichtmessung hat (den haben Sie doch eh’, wenn Sie das hier lesen - oder?), für den ist die Graukarte überflüssig. Leider berücksichtigen weder die Graukarte noch die Lichtmessung den tatsächlich vorliegenden →Motivkontrast. Beides ist also gleich schlecht, naja - gleichermaßen suboptimal! Die ebene Graukarte kann die im Raum verteilten Lichtquellen nicht richtig erfassen. Dafür weiß man, dass sie ausschließlich für einen Motivkontrast von 5 Blendenstufen eine zutreffende Belichtungsmessung ergibt. Mehr dazu im nächsten Kapitel. Leider weiß man oft nicht, welchen Motivkontrast der Hersteller des Belichtungsmessers für die Lichtmessung durch die Plastikkalotte zugrunde gelegt hat. Jeder Hersteller verwendet dafür eine eigene Referenz, sagt aber nicht immer, welche. Jeder Fotograf muss das mühsam selbst herausfinden.
Noch ein Tipp in diesem Zusammenhang: Die Graukarte mit 18% Reflexion ersetzen sparsame Leute ideal durch ein einfaches weißes Blatt Druckerpapier mit 90% Reflexion. Weißes Papier ist um den Faktor 5 oder 2⅓ Blendenstufen heller als eine original Kodak-Graukarte. Weil man für durchschnittliche Motivkontraste dann noch um ½ EV mehr belichten sollte, beträgt die Differenz ca. 3 Blendenstufen. Man kann also seinen (Spot-) Belichtungsmesser auf eine um 9 DIN niedrigere Empfindlichkeit einstellen, auf das weiße Papier messen und den angezeigten Wert ohne weitere Umrechnung für die Belichtungseinstellung an der Kamera verwenden. In ISO-Werten entsprechen diese 9 DIN Differenz einer Filmempfindlichkeit geteilt durch 8. Vorteil: Ein weißes Blatt Papier ist leicht verfügbar und spottbillig ersetzbar. Wer kein weißes Papier hat, kann seine Hand-Innenfläche anmessen. Diese ist bei einem Mitteleuropäer mit etwa 35% Reflexion um 1 Blendenstufe heller als eine Graukarte. Für eine wahrscheinlich richtige Belichtung müssen Sie 1,5 Blendenstufen zugeben: 1 Blendenstufe für den Unterschied Hand-Graukarte und noch eine weitere halbe Stufe, weil bei durchschnittlichem Motivkontrast die Graukartenmessung zu Unterbelichtung führt.
Anmerkungen zur 18%-Graukarte
Die meisten Hobbyfotografen und auch manche Profis und Fachbuchautoren glauben, nur weil Kodak früher Graukarten mit 18% Reflexion verkauft hat, sind diese 18% ein nicht anzweifelbarer Mittelwert, der stets eine exakte Belichtung garantiert. Seit Kodak 1941 angeblich in Abstimmung mit →Ansel Adams diese 18% festgelegt hat, schreibt das ungeprüft Einer vom Anderen ab. In den einschlägigen und inhaltlich übereinstimmenden Normen für die Kalibrierung von Belichtungsmessern (ANSI PH3.49, ISO 2720 oder DIN 19010-1) ist übrigens keine Rede von 18% oder anderen Reflexionsgraden, weil das physikalisch keinen Sinn ergeben würde. Diese physikalischen Zusammenhänge sind völlig unabhängig davon definiert.
Wie kommt Kodak ausgerechnet auf 18%?
Nach einer anderen Quelle
hatten diese 18% ihren Ursprung in der Drucktechnik als Mittelwert zwischen Papierweiß und tiefster Druckerschwärze.
Weil wir nicht nur gedruckte Zeitungen fotografieren wollen, brauchen wir für die Welt der Fotografie auf Film aber eine andere Erklärung.
Wir betrachten dazu eine Szene mit einem Motivkontrast von 5 Blendenstufen oder 5 EV
(= →Lichtwerte). Kontrastminderungen durch Streulicht ignoriere ich hier,
da hochwertig vergütete Festbrennweiten und die einfache Optik von Belichtungsmessern
nur geringe Verfälschungen in derselben Größenordnung bringen dürften.
Jetzt wird’s mathematisch, es geht leider nicht ohne Logarithmus.
Diese 5 Blendenstufen entsprechen einem Kontrast von 1:25 = 1:32.
An der hellsten Stelle erhält der Film demnach 32-mal so viel Licht wie im dunkelsten Schatten.
Der 10er-Logarithmus von 32 laut Taschenrechner ist log(32)=1,5.
Wir haben also einen logarithmischen Kontrastumfang von log(1)=0 bis log(32)=1,5.
Eine Stelle mittlerer Helligkeit entspricht log(x)=0,75, der Hälfte von 1,5.
Die Auflösung nach dem unbekannten Wert x ergibt x=100,75 = 5,6.
Die Stelle im Motiv, die also 5,6-mal so viel Licht reflektiert
wie der dunkelste Schatten hat später im Negativ einen Grauwert,
der dem Mittelwert aus Schattendichte und Lichterdichte entspricht
und im Idealfall in der Mitte der ausnutzbaren Dichtekurve liegen sollte.
Bezogen auf die hellste Stelle (32-mal so hell wie der Schatten) reflektiert der
Mittelwert nur 5,6/32 = 0,175‑fach so viel Licht, gerundet sind das die 18% von Kodak.
Mathematisch zusammengefasst und mit der Näherung log(2)≈0,3 leicht gerundet
ergeben diese Rechenschritte: 10(−0,15×ΔEV)
oder 2(−0,5×ΔEV) mit dem Motivkontrast ΔEV.
Belichtungsmesser sollten so kalibriert sein, dass ihre Anzeige etwa der
→Zone V bzw. 5 nach Ansel Adams entspricht,
also 4 Zonen über dem Referenzpunkt für die →ISO-Filmempfindlichkeit.
Die Schatten liegen bei dem hier durchgerechneten Beispiel dann in Zone 2,5.
Ab Zone 2 weist ein Negativ bereits die ersten differenzierbaren Grauwerte auf.
Man könnte gegenüber der Graukartenmessung sogar um maximal 1/2 Blende unterbelichten.
Und wenn der Kontrast nun größer als 1:32 ist?
Nehmen wir an, eine Kontrastmessung hat eine Differenz von 7 EV ergeben.
Nach der obigen Rechnung erhalten wir einen Kontrastumfang 1:128, oder logarithmisch 2,1.
Die Hälfte von 2,1 ist 1,05 entsprechend 1:11,2 und daraus erhalten wir 11,2/128=0,09 oder 9%.
Eine Graukarte müsste für ein solches Fotomotiv also einen Reflexionsgrad von 9% haben!
Was folgern wir daraus: Eine Integralmessung auf eine Szene mit 7 EV
Kontrast ist nur sinnvoll mit einem Belichtungsmesser, der auf ein dunkles 9%-Grau
kalibriert ist - und den gibt es nicht, genauso wenig wie eine 9%-Graukarte!
Alternativ messen wir auf die 18%-Graukarte und belichten um 1 Blendenstufe mehr.
Der mittlere Grauwert dieses Motivs liegt jetzt wieder auf Zone 5, die Schatten aber in Zone 1,5.
Eine gerade erkennbare Schattenzeichnung hat man erst ab Zone 2.
Das erfordert nach meiner Definition der →Filmempfindlichkeit
eine Überbelichtung um eine weitere halbe Blende.
Wer es ganz genau haben möchte, wie es z.B. Großformat-Fotografen anstreben: In den Überlegungen ist jetzt noch nicht berücksichtigt, dass dieses Negativ zwar den gesamten Tonwertreichtum des Motivs umfasst, aber für einen optimalen Abzug wahrscheinlich einen zu hohen Kontrast aufweist. Diesen müsste man zusätzlich durch eine verkürzte Entwicklungszeit kompensieren, was die nutzbare Filmempfindlichkeit noch weiter reduziert. Wie auch Jost Marchesi in seinem Buch „Die Ilford-Negativtechnik“ schreibt, bräuchte ein 400er Film bei einem Motivkontrast von 1:128 dann eine Belichtungsmesser-Einstellung auf ISO-125 und eine um 25% gekürzte Entwicklungszeit.
Die Graukarte war nie für Belichtungsmessung vorgesehen!
Die 18% Reflexion waren eine mehr oder weniger willkürliche Festlegung. Gedacht war diese Graukarte als Hilfsmittel für Farbfotografien und keineswegs für die Kalibrierung von Belichtungsmessern. Eine präzise Belichtung hängt immer vom Motivkontrast ab, es gibt dafür keinen fixen Standard. Auch ein Mittelwert ist nicht relevant und eine daran ausgerichtete Belichtung ist nur vielleicht richtig. Dass die Graukarte in der Welt der praktischen Fotografie nicht unbedingt einem durchschnittlichen Motiv entspricht, war bei Kodak schon lange bekannt. In der mitgelieferten Anleitung steht: “For subjects of normal reflectance increase the indicated exposure by 1/2 stop.” Sie weisen also darauf hin, dass eine 12%-Graukarte, für angeblich normale Motive sinnvoller wäre. Diese 12% (genauer: 12,5%) entsprechen einem Kontrastumfang von 6 EV bzw. Blendenstufen (Zonen II bis VIII).
Als normales Motiv gilt eine sommerliche Freiluftszene bei mittleren Breitengraden (typisches Urlaubsmotiv). Kodaks Chef-Physiker Loyd A. Jones wertete bereits in den 1930er-Jahren zahlreiche Landschaftsaufnahmen aus der Gegend um Rochester (N.Y.) aus. Der statistische Mittelwert ergab damals schon einen Kontrastumfang von 6 Blendenstufen in der Filmebene der Kamera. Voneinander unabhängige Untersuchungen und Veröffentlichungen aus den 1960er Jahren kamen in England, USA, Deutschland und Russland mit vernachlässigbaren Abweichungen wieder zum gleichen Ergebnis. Selten gab es international eine solche Einigkeit wie beim Kontrast durchschnittlicher Tageslichtszenen. In deutscher Sprache nachzulesen ist das auch bei Jost Marchesi (Handbuch der Fotografie, Bd.2), der für ein durchschnittliches Motiv 13% Reflexion angibt.
Daher sind seit Jahrzehnten alle Belichtungsmesser, die ich kenne (→siehe weiter unten), nicht auf diese willkürlichen 18% kalibriert, sondern je nach Herstellerphilosophie und in Übereinstimmung mit allen →Normen auf Motivkontraste, die als Mittelwert etwa 12-14% Reflexion ergeben.
Sie glauben’s nicht?
a) Falls ein Belichtungsmesser auf die 18% Reflexion der Kodak-Graukarte kalibriert wäre, müssten eine richtige(!) Objektmessung auf diese Graukarte und eine Lichtmessung mit Halbkugelkalotte exakt dasselbe Ergebnis liefern. In Wirklichkeit wird man etwa 1/2 EV Differenz feststellen. Das ist der von Kodak empfohlene Korrekturwert nach Spotmessung auf die Graukarte.
b) Alle fortgeschrittenen Zonenfotografen werden mir zustimmen, dass eine Belichtung nach Anzeige einer integralen Belichtungsmessung der Zone V nach Adams entspricht. Die tiefsten bildwichtigen Schatten mit differenzierbaren Konturen liegen dann (ebenfalls nach Adams) in Zone II. Von diesen Schatten (II) bis zum Mittelwert (V) liegen also 3 Zonen. Vom Mittelwert gehen wir jetzt noch einmal 3 Zonen weiter bis zur Zone VIII mit den hellsten bildwichtigen Lichtern. Der Gesamtkontrastumfang liegt dann bei 8−2=6 Zonen bzw. 6 Blendenstufen. Nach der obigen mathematischen Herleitung ergibt dieser Motivkontrast einen integralen Reflexionswert von 10(−0,15×6) = 12,6%.
c) Die Anzeige eines Belichtungsmessers entspricht, wie schon gesagt, der Zone V nach Ansel Adams.
Eine Erhöhung um eine Zone erfordert nur die halbe Belichtungszeit, also wird doppelt so viel Licht reflektiert.
Jetzt eine einfache Rechnung:
Zone V → 18% Reflexion
Zone VI → 18×2 = 36%
Zone VII → 36×2 = 72%
Zone VIII → 72×2 = 144% ???
Wenn das gelten soll, wird bereits in Zone VIII mit den hellsten bildwichtigen Stellen deutlich mehr Licht reflektiert, als überhaupt da ist!
Rückgerechnet von 100% Reflexion in Zone IX müsste Zone V bei 12,5% liegen.
Nach →Ansel Adams ergäbe Zone IX im Positiv einen gerade von
Papierweiß unterscheidbaren und zeichnungslosen Grauton.
d) Sekonic als weltweiter Marktführer gibt in den technischen Daten aller seiner Belichtungsmesser Werte für die Kalibrierkonstanten an: K=12,5 für Objektmessung (gilt angeblich auch für Canon und Nikon) und C=340 für Lichtmessung mit Halbkugelkalotte. Durch Vergleich von auftreffendem und reflektiertem Licht kann aus den physikalischen Zusammenhängen der Reflexionsanteil rückgerechnet werden. Dieser beträgt R = π×K/C = 11,6%. Bei Minolta, Kenko und Pentax Belichtungsmessern sind das K=14, C=330 und damit R=13,3%.
Weil man nun nicht ständig Motive mit 5 Blendenstufen Kontrastumfang (Basis der 18%-Graukarte) oder ebene graue Wände vor der Linse hat, ist eine Graukarte nicht besonders sinnvoll. Sie ersetzt keine ausführliche Kontrastmessung mit einem Spot-Belichtungsmesser. Die hochwertige Kodak-Graukarte gibt es von Kodak schon lange nicht mehr. Anstelle einer Graukarte, für die man weniger als 20-30 € verschwendet hat, kann man gleich im Bastelladen einen grauen Karton kaufen. Heute im Handel angebotene Graukarten sind für zielgerechte Objektmessungen in vielen Fällen zu klein, und ob die Reflexion tatsächlich 18% beträgt, ist erstens anzuzweifeln und zweitens sowieso egal. Nicht einmal meine aufwändig hergestellte original Graukarte hat 18%, sondern 16% (rückgerechnet aus einer Densitometermessung). Trotz lichtgeschützter Aufbewahrung ist sie in mind. 20 Jahren wohl nachgedunkelt - oder sie war schon immer zu dunkel.
Wirklich sinnvoll ist eine Graukarte nur bei Farbaufnahmen, um beliebige Farbstiche besser herausfiltern zu können. Kodak schrieb 1956 über seine Neutral Test Card: “An accessory designed primarily for use in color photography.” Ein weißes Blatt Papier tut es für den Weißabgleich auch, nur hat der Händler nichts daran verdient. Übrigens: Die →Belichtungsmessung auf dieses weiße Blatt Papier oder die Handfläche ist nicht schlechter als die Messung auf eine Graukarte. Korrigieren muss man alle drei Messwerte, die Graukarte um 0,5 EV, weißes Papier um 3 EV, die angemessene Handfläche um 1,5 EV.
Belichtungsmessung nach Norm
In der ISO 2720 (oder in der inhaltlich kompatiblen DIN 19010-1) ist die Kalibrierung von Belichtungsmessern geregelt. Für Objektmessung bei einer bekannten Leuchtdichte in cd/m² mit genau definiertem Spektralbereich gilt eine Kalibrierkonstante K = 10,6…13,4. Für Lichtmessung mit Halbkugelkalotte bei einer bekannten Beleuchtungsstärke in Lux gilt die Kalibrierkonstante C = 320…540. Jeder Hersteller soll die Konstanten K und C innerhalb dieser Grenzen festlegen. Die gemessene Belichtungszeit ist direkt proportional zu diesen Konstanten. Damit ergibt sich nach Norm ein Spielraum von etwa 1/3 →EV (Objektmessung) bzw. 3/4 EV (Lichtmessung). Zusätzlich erlaubt die Norm noch 1/2 EV Abweichung von den Werten der Kalibrierformel. Die insgesamt zugelassene Streubreite einer Norm-Belichtungsmessung ist also ziemlich groß. Entgegen weit verbreiteten Gerüchten ist dort nirgendwo die Rede von 18% oder anderen Reflexionswerten.
Hier zum Vergleich die veröffentlichten Werte lt. Datenblatt:
- Sekonic: K=12,5; C=340
- Minolta, Kenko: K=14,0; C=330
- Gossen veröffentlicht in seinen Spezifikationen leider keine Kalibrierkonstanten. Ulrich Schmidt-Ploch hat sich für sein Buch „Das Negativ in der Schwarzweißfotografie“ die Mühe gemacht und für seinen Gossen Starlite K=11,3 ermittelt.
Das Ergebnis einer Objektmessung führt also mit dem Starlite zur knappsten und mit einem Minolta Belichtungsmesser zur reichlichsten Belichtung mit einer Differenz ⅓EV. Eine solche Differenz ist angesichts der zulässigen Streubreite zwar als gering anzusehen, trotzdem gilt: Das Ergebnis einer Belichtungsmessung muss man immer als ein Glied einer individuell abgestimmten und eingetesteten Prozesskette sehen, die vom Einlegen des Films bis zum fertigen Positiv alle Zwischenschritte beinhaltet. Wenn in dieser Kette ein Glied verbogen ist (z.B. ein falsch anzeigender Belichtungsmesser), kann das durch andere Prozessstufen kompensiert werden, z.B. durch eine angepasste, eigentlich falsche Filmempfindlichkeitseinstellung, die man so hinbiegt, bis das Ergebnis passt. Oder noch besser: Falls der Belichtungsmesser diese Möglichkeit bietet, sollte man individuell dessen Kalibrierung ändern. Die eigene abgeschlossene Welt dieser Prozesskette ist dann völlig in Ordnung, solange man an dieser Kette nichts ändert und kein Glied auswechseln muss.
Wie auch mein →Belichtungsmesser-Vergleich zeigt, bringen unterschiedliche Geräte tatsächlich nicht alle dasselbe Messergebnis, sogar mit deutlichen Abweichungen innerhalb derselben Marke! Leider enthalten die Datenblätter der Belichtungsmesser nicht immer die Angabe der Kalibrierkonstanten K und C nach ISO 2720. Man kann in solchen Fällen nicht entscheiden, ob unterschiedliche Messergebnisse auf Absicht oder falsche Kalibrierung zurückzuführen sind. Eine absolute Überprüfung der Kalibrierung nach ISO-Norm erfordert eine gleichmäßig diffus leuchtende Fläche mit definiertem Spektralbereich und genau bekannter Leuchtdichte, ist also mit häuslichen Methoden nicht möglich. Dem Anwender kann das letztlich egal sein, wenn er seine Prozesskette sauber eingetestet hat. Viel wichtiger ist, dass der Belichtungsmesser wenn schon, dann konstant daneben liegt und keinen Linearitätsfehler hat. Einen solchen handelt man sich z.B. ein, wenn man alte Geräte mit CdS-Fotowiderstand mit falscher Spannungsversorgung betreibt, anstelle der ursprünglich vorgesehenen →Quecksilberknopfzelle mit 1,35 V.
Die richtige Belichtung
Wenn Sie die Kapitel zu →Belichtungsmesser, →Graukarte und →Zonensystem gelesen haben, sind Sie schon kein Anfänger mehr. Eine richtige Belichtung sollte jetzt in jeder Situation gelingen. Wie wir wissen, sind schwierige Lichtsituationen nur mit Belichtungsreihen oder mit einer Spotmessung auf die bildwichtigen Schatten zu beherrschen. Wenn Sie keinen Spotbelichtungsmesser oder eine entsprechend ausgestattete Kamera haben, hilft nur, nah ranzugehen, natürlich ohne die Messung durch den eigenen Schatten zu verfälschen. Von diesem Idealfall wollen wir hier ausgehen. Voraussetzung ist auch, dass Sie Ihre Film-Entwickler-Kombination →eingetestet haben und die wahre Filmempfindlichkeit am Belichtungsmesser eingestellt haben. Sie kennen dann auch die Dichtekurve Ihres Filmmaterials unter Ihren individuellen Bedingungen. Ein moderner Negativfilm hat etwa eine Kennlinie, wie sie im nächsten Bild dargestellt ist. Die Zone V auf der x-Achse entspricht im Zonensystem von Ansel Adams einer Belichtung nach Belichtungsmesseranzeige. Für die Schattenzeichnung sind die Zonen II (erste zarte Details) bis III (perfekt durchgezeichnete Details) von Bedeutung. Der Bereich der Lichter sollte bis Zone X ohne Einschränkungen genutzt werden können. Erst ab dann beginnt (abhängig von der Film-Entwickler-Kombination) infolge der flacher werdenden Kurve der Bereich der ausgebrannten Lichter mit weniger Detailzeichnung. Bei KB-Film lege ich(!) Schatten in Zone II, um damit auch ohne Stativ verwacklungssicher(er) zu fotografieren. Ein weiterer Grund ist, dass ich bei KB-Film Feinkorn und Schärfe nicht ganz vernachlässigen möchte. Für diese Ziele ist es sinnvoll, die Filmdichte innerhalb des linearen Bereichs der Dichtekurve so niedrig wie möglich zu halten. Jede Überbelichtung wäre in dieser Hinsicht tendenziell schädlich. Bei Mittel- oder Großformat empfehle ich dagegen, sich mehr an schön durchgezeichneten Schatten in Zone III zu orientieren. Für eine optimale Belichtung sollte man also auch das Negativformat mit berücksichtigen. Die folgenden drei Beispiele gelten für KB-Film.
Beispiel 1: Der Motivkontrast beträgt 4 EV bzw. 4 Blendenstufen. Nach einer Spotmessung auf dunkle Schatten schließen wir die Blende um 3 Stufen. Diese Schatten legen wir damit in Zone II, ab der die Trennung der Tonwerte gerade beginnt (dicker hellgrüner Balken). Die Lichter liegen in Zone VI (=2+4). Eine übliche Objektmessung, egal ob mit Handbelichtungsmesser oder mit der Belichtungsautomatik der Kamera, hätte um die Zone V herum ausgemittelt (dunkelgrüne Linie). Die dunklen Schatten wären dann in Zone III gewesen, das ist die Zone für bereits perfekt durchgezeichnete Schattendetails. Ein so um 1 EV überbelichtetes Bild ist auf jeden Fall okay und liegt noch voll innerhalb des Belichtungsspielraums jedes modernen Films (Dokumentenfilme ausgenommen). Man kann solche Motive sogar noch mehr überbelichten, ohne irgendeine Detailzeichnung zu verlieren. Das ist der Vorteil von Filmen mit langer gerader Kennlinie, jedoch nur ein prinzipieller Vorteil. Natürlich bringt eine Überbelichtung auch leichte Nachteile mit sich: Das Negativ wird etwas grobkörniger, die Tendenz zu überstrahlten Lichtern nimmt zu, und man benötigt später im Fotolabor für den Abzug lange Belichtungszeiten. Man sollte also nicht ohne Not mehr belichten als die Schatten brauchen.
Beispiel 2: Der Motivkontrast einer Gegenlichtszene beträgt 8 EV bzw. 8 Blendenstufen. Eine integrale Objektmessung stur nach Belichtungsmesser (dunkelblaue Linie) hätte hier wieder um die Zone V herum ausgemittelt. Die Schatten liegen in Zone I und sind „abgesoffen“. Wir legen diese dunklen Schatten wieder auf Zone II. Die Lichter liegen dann in Zone X (=2+8), wo ein moderner SW-Film noch eine gerade Kennlinie aufweist (hellblauer dicker Balken). Also ist zumindest alles gut durchgezeichnet auf dem Film. Bei Standardentwicklung hat dieses Negativ einen sehr starken Kontrast und muss später im Fotolabor auf extrem weiche Gradation 00 abgezogen werden. Extreme Lichter und Schatten gleichzeitig schön differenziert auf Papier zu bringen, wird trotzdem schwierig. Im Fotolabor kann man sich aber noch entscheiden. Normalerweise sind die Schatten nicht so wichtig, weil man beim ersten Blick auf ein Foto immer die hellen Stellen erfasst. Meine Empfehlung wäre daher, beim Laborabzug lieber auf die Schatten als auf die bildwichtigen Lichter zu verzichten. Die Entscheidung hängt aber vom Motiv und der gewünschten Bildwirkung ab. Auch durch Abwedeln der Schatten oder Nachbelichten der Lichter kann noch deutlich nachgebessert werden. Wichtig ist, dass auf dem Negativ erstmal alles drauf ist. Manche Kameras haben eine Gegenlichttaste, die um üblicherweise 1½ EV bzw. Blendenstufen mehr belichtet. Eine solche pauschale Korrektur ist besser als gar keine, sie kann natürlich nicht für jeden Einzelfall die optimale sein.
Beispiel 3: Abends auf einer gut beleuchteten Caféterrasse wollen Sie
vor dunklem Hintergrund ein Porträt Ihres Gegenübers machen.
Das Hauptmotiv ist hier klar, der Rest drumherum sorgt nur für eine Umrahmung.
Spitzlichter und dunkler Hintergrund sind hier nicht bildwichtig und können vernachlässigt werden.
Wichtig ist, dass das Gesicht ohne scharfe Schlagschatten gleichmäßig ausgeleuchtet ist.
Eine Möglichkeit wäre der gekonnte Einsatz eines Blitzgeräts, was in dieser Situation alle nervt.
Eine integrale Objektmessung ist sicher nicht sinnvoll, zumindest nicht ohne eine mühsam abzuschätzende Korrektur.
Eine Spotmessung auf das Gesicht (Hautton eines Mitteleuropäers) ergibt eine Unterbelichtung,
ähnlich wie das Anmessen Ihrer Handfläche als →Graukartenersatz.
Bei warmer Kunstlichtumgebung ist auch zusätzlich zu berücksichtigen,
dass die meisten SW-Filme dabei eine geringere Empfindlichkeit haben (ca. 1/2 Blende Differenz).
Bei guter Urlaubsbräune in Kunstlicht sollte man daher nach einer solchen Spotmessung um 1,5 Blendenstufen mehr belichten,
ein blasses Gesicht eher um 2 Blenden mehr.
Wir setzen das Gesicht nach der Spotmessung mit 1,5 Blendenstufen Überbelichtung also auf Zone VI-VII,
siehe den breiten lachsfarbigen Balken.
Achtung, was man wissen sollte: Auch renommierte Belichtungsmesser können bei Kunstlicht ordentlich daneben liegen,
siehe meinen →Belichtungsmesser-Vergleich. Die spektralen Empfindlichkeitsunterschiede
von Film und Belichtungsmesser sollte man unbedingt vorher austesten und gezielt berücksichtigen.
Das macht dann eben den Unterschied, ob richtig belichtet wurde oder ob auf dem Film lediglich „was drauf“ ist.
Geht das auch ohne Spotbelichtungsmessung?
Aber sicher geht das auch ohne dieses Gefummel. Die genannten drei Szenen sehe ich als Beispiele,
bei denen eine gewöhnliche mittenbetonte Objektmessung zumindest nicht optimal ist.
Eine Spotmessung nach allen Regeln der Kunst verhindert leider jedes spontane Foto.
Wenn man Zeit hat, kann man vorher überlegen, wie eine integrale Messung korrigiert werden müsste.
Eine Spotmessung auf die Schatten dient dann nur noch zur Kontrolle.
Je mehr Erfahrung man hat, umso eher wird es gelingen, intuitiv eine integrale Belichtungsmessung zu korrigieren.
Eine zweite Spotmessung auf bildwichtige Lichter ist bei modernen Filmen nicht mehr so wichtig.
Interessant ist diese Gesamterfassung des Motivkontrasts vor allem für Großformatfotografen.
Nur diese haben die Möglichkeit, jedes einzelne Negativ mit vom Kontrast abhängender
Filmempfindlichkeit und Entwicklungszeit zu optimieren.
Lichtwert LW ↔ Exposure Value EV
Im Zusammenhang mit Belichtungsmessern kommt immer wieder die Frage auf: Was ist jetzt was, oder gibt es da überhaupt einen Unterschied? Das wollen wir zunächst einmal klären.
Es ist ganz einfach: LW ist ausschließlich im deutschen Sprachraum üblich, im Rest der Welt verwendet man EV, und man meint damit genau das Gleiche: eine bestimmte Lichtmenge, die durch Blendenöffnung und Verschluss auf den Film fällt. Das war noch nie anders. Der historische Begriff „Lichtwert“ ist leider irreführend und suggeriert eine vorliegende Helligkeit des Motivs. Die wörtliche Übersetzung “exposure value” = „Belichtungswert“ nach DIN 19017 träfe die Bedeutung besser. Ich persönlich vermeide daher die Verwendung von LW und beschränke mich auf EV.
Als EV=0 definiert ist eine Belichtungszeit von 1 s bei Blende 1,0. Eine Erhöhung um 1 EV bedeutet: Die Kamera lässt durch geeignete Zeit- und/oder Blendeneinstellung nur halb so viel Licht durch - oder: höherer EV = weniger Licht auf den Film.
Es gilt allgemein: 2EV = A²/T oder EV = log(A²/T) / log(2)
mit A = Blendenzahl und T = Belichtungszeit in s
speziell für Objektmessung: EV = log(L·ISO/K) / log(2)
mit Leuchtdichte L in cd/m²; Filmempfindlichkeit in ISO
Kalibrierkonstate K=12,5 (Sekonic, Nikon, Canon)
speziell für Lichtmessung: EV = log(E·ISO/C) / log(2)
mit Beleuchtungsstärke E in lx; Filmempfindlichkeit in ISO
Kalibrierkonstate C=340 für Halbkugelkalotte (Sekonic)
Ein Beispiel: EV=12 entspricht einer Belichtung mit 1/125 s bei Blende 5,6 oder 1/60 s bei Blende 8 oder 1/30 s bei Blende 11 u.s.w., egal bei welcher Filmempfindlichkeit und Motivhelligkeit. Für diese Aussage braucht man noch nicht einmal einen Belichtungsmesser! Das war schon immer so: Die Abbildung zeigt die EV-Tabelle auf der Rückseite einer uralten Rolleiflex. Ob eine Belichtung mit einem bestimmten EV zum Film passt, hängt dagegen von dessen Empfindlichkeit und der Motivhelligkeit ab. Bei demselben Motiv zeigt ein Belichtungsmesser je nach eingestelltem ISO-Wert einen anderen EV an - logisch, denn man muss ja auch anders belichten. “Sunny-16” bei einem 100er Film erfordert eine Belichtung gemäß EV 15 und bei einem 400er Film ist das eben eine Zeit-Blenden-Kombination, die EV 17 entspricht. Also eigentlich ist jetzt alles klar!
Leider gibt es etliche Internetseiten und Smartphone Apps, die solche EV-Tabellen starr mit einer Empfindlichkeit von 100 ISO kombinieren. Diese Autoren hatten wohl noch nie einen richtigen Belichtungsmesser in der Hand. Man kann eine bestimmte Lichtsituation nicht einem festen EV zuweisen, sondern der EV für eine richtige Belichtung ergibt sich aus dieser Lichtsituation und der Filmempfindlichkeit. Unnötig verwirrend ist auch, dass die Skalen einiger uralter Belichtungsmesser keine EV zeigen, sondern beliebige Zahlenwerte, die dann für eine endgültige Ablesung auf eine andere Skala übertragen werden müssen. Das gilt z.B. für Pentax Spotmeter oder WeimarLux, leider auch für den weiter oben schon erwähnten Exposure Calculator, den ich trotzdem empfehle. Der dort angezeigte EV-Wert ist für den Zweck völlig überflüssig und gilt ausschließlich für einen 100-ISO-Film. Das stört aber bei der Anwendung nicht weiter. Selbstverständlich kann man dieses geniale Teil auch bei anderen ISO-Werten verwenden.
In meist englischsprachigen Veröffentlichungen gibt es auch noch die Abkürzung EI (exposure index). Das ist nichts anderes als die Filmempfindlichkeit, auf die der Belichtungsmesser eingestellt und mit der der Film belichtet wird, z.B. EI 400. Das muss nicht zwingend mit der Angabe ISO 400/27° auf der Filmschachtel übereinstimmen. Es kann viele Gründe geben, von dieser Empfehlung abzuweichen, siehe →„Film eintesten“.
Filmempfindlichkeit nach ISO
Jetzt ist Film- und Kameratechnologie nur mein Hobby und nicht mein Beruf, aber ich weiß, wie Normen entstehen. Dort sitzt ein meist kleiner Kreis von internationalen Spezialisten zusammen, die darüber beraten. Wer hat das Geld, dort ständig hochkarätige Mitarbeiter hinzuschicken? Vor allem die finanzstarken Branchenführer! Die legen also fest, was in den Normen steht, und sie achten vor allem darauf, dass nichts drin steht, was ihrer Firma nicht passt. Der so festgelegte Kompromiss muss nicht immer für alle Anwender sinnvoll sein. Normen geben daher nicht immer eine absolute Wahrheit wieder. Es sind niedergeschriebene, meist technische Empfehlungen, die der einfacheren Verständigung dienen. In manchen Fällen bedeutet das nur, dass alle denselben Fehler machen. Ich schreibe hier etwas darüber, damit klar wird, warum man an seinem Belichtungsmesser nicht zwangsläufig die Empfindlichkeit einstellt, die auf der Filmschachtel steht.
Nach ISO 6 liegt seit vielen Jahrzehnten der Referenzpunkt für die Empfindlichkeit eines SW-Negativfilms bei einer Dichte 0,1 über dem Grundschleier. Der Film muss für diese Auswertung so entwickelt werden, dass sich bei einer um 4⅓ →EV oder 20‑fach stärkeren Belichtung eine Dichtedifferenz 0,8 ergibt, d.h. 0,9 über Schleier. Diese alte Normvorgabe, angewendet auf einen modernen SW-Film mit langer gerader Kennlinie ergibt einen →gamma-Wert von etwa 0,70 oder ein beta von 0,8/log(20)=0,61 oder je nach Kurvenverlauf im Fußbereich bei Kodak einen CI-Wert von etwa 0,60…0,65. Leider kann man den gamma-Wert nicht mit CI oder G vergleichen oder umrechnen. Weil nach Norm die Entwicklung des Films entsprechend den Empfehlungen des Filmherstellers zu erfolgen hat, ist klar, dass der Hersteller nicht den uralten D-76, sondern einen Entwickler wählt, mit dem sich eine hohe Filmempfindlichkeit ergeben wird. Feinkorn oder Schärfe interessieren in diesem Zusammenhang nicht. Für die Dichtemessung ist übrigens ein mit diffusem Licht arbeitendes Transmissions-Densitometer nach ISO 5-2 vorgeschrieben. Bei jedem gemessenen Dichtewert müsste man eigentlich genau dokumentieren, wie er gemessen wurde. Das gilt selbstverständlich auch für jeden gamma-, beta-, CI- oder G-Wert. Ein γ=0,7 nach dieser Messmethode entspricht der allgemeinen Empfehlung für reine Mischbox-Vergrößerer. Die nach ISO ermittelte Empfindlichkeit gilt also auch nur für diesen Fall. Für reine Kondensor-Vergrößerer muss man auf ein γ≈0,50‑0,55 entwickeln (nach Kodak-Empfehlung CI≈0,42) und büßt damit etwa 2 DIN Empfindlichkeit ein. Ein Feinkorn-Entwickler kostet nochmal 2 DIN, und schon ist man für die fotografische Praxis bei weniger als der halben Filmempfindlichkeit angelangt, die uns eine solche Norm vortäuscht. Daher muss man seinen →Film eintesten und darf nicht immer glauben, was in den Datenblättern steht. Was man dort lesen kann, ist wohl äußerst selten nach irgendeiner Norm ermittelt worden, sondern wird eher unter Marketing-Aspekten verfasst. Ich persönlich sehe darin nicht mehr als eine primitive Einteilung in niedrig-, mittel- oder hochempfindlich.
Dr. Otto Beyer, der in seinen Veröffentlichungen überwiegend das →Zonensystem im Fokus hat, kommt zu einem ähnlichen Ergebnis: Die nach ISO 6 bestimmte Filmempfindlichkeit entspricht im Zonensystem einer N+1 Entwicklung mit zu hohem Kontrast für normale Motive. Das begründet natürlich auch, dass viele Anfänger, die den Datenblattangaben vertrauen, damit Probleme haben und erst einmal frustriert sind.
Kodak ignoriert diese ISO-Norm und verwendet einen davon abweichenden, selbst definierten “Contrast-Index” CI=0,56…0,58. Auch Ilford hat sich aus mehreren guten Gründen gegen die Anwendung der offiziellen “Determination of ISO Speed” entschieden. Ilfords Datenblätter beruhen auf einem Kontrast von G=0,62, einem Kompromiss, der angeblich sowohl für Kondensor- als auch auch für Mischbox-Vergrößerer geeignet ist. In den Ilford-Filmdatenblättern steht heute: “It should be noted that the recommended exposure index(EI) is based on a practical evaluation of film speed and is not based on foot speed, as is the ISO standard.”
Die ISO-Norm schreibt auch vor, dass alle(!) Verarbeitungsbedingungen („Chemikalien, Zeit, Temperatur, Ausrüstung für die Entwicklerbewegung und die Verfahren für jeden Verarbeitungsschritt“) gemeinsam mit dem so ermittelten ISO-Wert angegeben werden müssen. Weil ich das noch nie gesehen habe, ist anzunehmen, dass kein Hersteller diese Norm richtig ernst nimmt, und dass die angegebene Empfindlichkeit nicht nach dieser Norm ermittelt wurde! Ich mache es also beim →Eintesten von SW-Filmen wie Kodak, Ilford und alle anderen und ignoriere diese ISO-Empfehlungen. Hier meine Gründe:
- Die Norm geht zurück auf eine Version von 1934. Sie wurde bis 1993 zwar mehrfach mit überwiegend redaktionellen Anpassungen überarbeitet, geht aber immer noch von einer stark gekrümmten S-förmigen Kennlinie aus, wie sie bis in die 1960er-70er Jahre üblich war. Alle modernen SW-Filme (Harman, Kodak, Fuji) haben aber heute eine weitgehend gerade Kennlinie von →Zone II bis über die Zone X hinaus. Das alte Verfahren kann man zwar auch auf die heutigen Filme anwenden, aber sinnvoll ist das nicht. Daher hält sich nach meiner Erfahrung auch kein Hersteller mehr daran. (Normen sind nicht verbindlich und geben immer nur Empfehlungen!)
- Auch hochwertige Densitometer zeigen die Dichte in Sprüngen von ΔD = 0,01 mit einer Wiederholgenauigkeit von ±0,01 an. Weil die Kurve im Fußbereich mit γ≈0,3 recht flach verläuft, bedeutet ein zufälliges Umspringen der Anzeige um 1 Digit bereits eine um 1/3 DIN andere Empfindlichkeit. Die Messgenauigkeit lässt hier also zu wünschen übrig. Im mittleren, geraden Bereich der Dichtekurve liegt diese Auswerte-Genauigkeit bei ca. 1/20 DIN. (Weil ich schon lange fotografiere, denke ich bei der Filmempfindlichkeit immer noch in DIN statt in ISO-Einheiten: 1 DIN = 1 Teilstrich auf der ISO-Skala.)
- Um den Fuß der Dichtekurve ausreichend genau aufzeichnen zu können, müsste ich in diesem Bereich, der mir als Anwender eigentlich egal ist, die Messpunkte recht eng setzen. Das führt aber nicht unbedingt zu einer verbesserten Auswertung (wegen 1.), ist also reine Zeitverschwendung.
- Wie schon erwähnt: Der Fuß der Dichtekurve unter D=0,2 ist für die praktische Fotografie uninteressant, da kaum noch Details aufgelöst werden. Viele Großformat-Fotografen legen die Schatten eher auf Zone III mit einer Dichte von mindestens 0,35. Welche Filmdichte sich (im →Zonensystem) in Zone I ergibt, ist da endgültig irrelevant.
Für mich hat sich bewährt, den Referenzpunkt für die Filmempfindlichkeit bei der Dichte 0,2 über Schleier festzulegen. Ab da weisen so gut wie alle modernen SW-Filme eine nahezu gerade verlaufende Kurve mit guter Detailwiedergabe auf. Diese von mir so definierte →Zone II der Dichtekurve kennzeichnet den Bereich, ab dem diese zwischen Fuß und Schulter-Abflachung mit kontinuierlich verlaufenden Grauwerten nutzbar ist.
Genauso wichtig wie die genaue Kenntnis der realen Filmempfindlichkeit ist der Dichteverlauf im bildwichtigen mittleren Teil der Dichtekurve und der daraus resultierende →gamma-Wert. Eine nicht genau bekannte Filmempfindlichkeit kann ich ohne Qualitätsverlust durch etwas Überbelichtung kompensieren. Zu hoher oder zu niedriger Kontrast führt dagegen oft zu Problemen und Kompromissen beim Vergrößern in der Dunkelkammer.
Welcher Belichtungsmesser ist der beste?
Jeder, der mit mehr als einer Kamera und auch noch mit Handbelichtungsmesser arbeitet, wird feststellen, dass die Messungen nicht immer ein einheitliches Ergebnis bringen und durchaus etwas schwanken können. Nachdem sich bei mir etliche Gerätschaften angesammelt haben, war es naheliegend, die diversen Belichtungsmesser-Anzeigen untereinander zu vergleichen. Zum Einsatz kamen ein Minolta Spotmeter F, fünf Handbelichtungsmesser mit etwa 30° Messwinkel (entsprechend einer KB-Brennweite von 80mm) sowie die integrierten Belichtungsmesser diverser Kameras. Dass der Hersteller Gossen in meiner Auswahl dominiert, liegt lediglich daran, dass diese deutsche Firma hier eben die Rolle des Platzhirsches einnimmt. Die meisten Geräte dieses Vergleichs arbeiten mit einer Silizium-Photodiode (SPD), je nach Hersteller auch SBC = “Silicon Blue Cell” genannt. Viele CdS-Belichtungsmesser sind altersbedingt dejustiert und zeigen falsch an oder sind mittlerweile total ausgefallen (CdS = Cadmiumsulfid). CdS-Fotowiderstände haben prinzipiell noch weitere Nachteile: Durch starken Lichteinfall sind sie vorübergehend geblendet, und bei wenig Licht reagieren sie sehr träge, was sie für eine Verwendung mit Belichtungsautomatik oder für Blitzlichtmessung ausschließt.
Digitalkameras werden hier absichtlich ignoriert, weil deren Belichtungssteuerung nach anderen Regeln funktioniert. Die tatsächliche Belichtung kann von der eingestellten ISO-Empfindlichkeit abweichen und orientiert sich je nach Software an Rauschgrenze oder Signalsättigung, siehe ISO 12232. Das Ergebnis von solchen Objektmessungen berücksichtigt die Eigenschaften des Sensors und der Kamera-Software und ist daher oft nicht auf Film übertragbar, für den man sich an minimaler Schattenzeichnung orientieren müsste. So zeigen Vergleichsmessungen mit EOS 30D/80D untereinander eine Differenz von ⅔ →EV. Bei moderner Kamera-Software spielen mittlerweile auch noch vom Motiv abhängige KI-Algorithmen mit. Die Belichtungsanzeige von Smartphone-Foto-Apps wollen wir mal lieber ganz ignorieren. Weil ich das Immer-Dabei-Smartphone für Lichtmessungen praktisch gefunden hätte, habe ich tatsächlich einige Apps ausprobiert. Die Genauigkeit hängt leider vom hardwaremäßig verbauten Umgebungslichtsensor ab, und das ist bei einfachen Android-Geräten nicht immer ein hochwertiger. iPhones scheinen da zuverlässiger zu funktionieren. Irgendwo muss der Aufpreis ja drin stecken. In der Handhabung ist mir ein richtiger Belichtungsmesser auf jeden Fall viel lieber. Auch elektronische Mini-Belichtungsmesser, die man in den Blitzschuh stecken kann, sind mit ihrer fummeligen Bedienung für mich keine Alternative.
Bei den in Kameras integrierten Belichtungsmessern habe ich nur die Sucheranzeigen ausgewertet. Für diesen kurzen Vergleichstest wurden keine Filme belichtet, was nicht zwingend zum gleichen Ergebnis führt wie die Auswertung der Anzeigen. Zum Beispiel neigen alle meine analogen EOS-Gehäuse und die Mamiya 6 bei Automatik zu etwa ½ Blende Unterbelichtung (im Vergleich zu manueller Einstellung von Zeit und Blende laut Messwertanzeige)!
Erschütternd für mich war zunächst, dass nicht einmal innerhalb einer Marke (Gossen) Einigkeit herrscht und zwar sowohl bei Messung auf eine einheitlich mit Tageslicht beleuchtete weiße Wand als auch bei Messungen auf ein identisches Motiv im Freien. Letzteres natürlich nicht mit dem Minolta Spotmeter. Ich wüsste nicht, wo ich für diesen Vergleich den Messpunkt setzen sollte. Die Messungen habe ich mehrfach wiederholt, um Streuungen durch die Wiederholgenauigkeit auszumitteln. Damit alle Geräte gleiche Messungen liefern, muss ich wie folgt korrigieren:
Variosix F: +0,4 EV, Digisix 2: −1/3 EV,
alle anderen (Spotmeter F, Profisix, Sixtomat F2, Sekonic L-208): ±0
Es ist bekannt, dass Minolta seine Belichtungsmesser anders →kalibriert als z.B. Sekonic.
Diesen geringen Unterschied von etwa 1/6 EV kann ich aber bei meinen Vergleichsmessungen nicht eindeutig reproduzieren.
Meine Ergebnisse stimmen übrigens überein mit einem anderen Vergleichstest anhand einer Norm-Lichtquelle in einer Fachwerkstatt. Auch dort hat der Digisix konstant 1/3 EV zu viel (d.h. Unterbelichtung) angezeigt.
Wenn jetzt alle Belichtungsmesser einer Marke die gleiche Abweichung zeigen, wäre das nachvollziehbar und okay, weil in der Belichtungsmesser-Kalibrierung auch ein bisschen Firmenphilosophie drin steckt (z.B. in der Entscheidung, was ein mittlerer Motivkontrast ist). Zwei von vier Gossen-Geräten tanzen aber in unterschiedlicher Richtung deutlich aus der Reihe, was ich nur schwer verstehen kann. Der Variosix F tendiert zu Überbelichtung, was für Negativfilme nicht so schlimm ist. Das könnte natürlich am Alter liegen, aber der war schon immer so. Der Digisix 2 tendiert dagegen zu Unterbelichtung! Ein mittlerweile defekter und entsorgter Digisix (ohne den Zusatz „2“) hatte übrigens die gleiche Abweichung. Mit den genannten Korrekturen sind die Anzeigen dann in Übereinstimmung mit allen EOS-Kameras, der Canon EF, der New F-1, der AE-1, der AL-1, der T90, der Mamiya 6, der Rollei 35S (mit noch funktionierender CdS-Zelle made by Gossen) und sogar mit einer alten Rolleiflex von 1960, deren Selen-Belichtungsmesser wohl auch von Gossen stammt. Auch ohne eine kalibrierte und physikalisch vertrauenswürdige Leuchtfläche kann ich das als stabilen und für mich maßgebenden Mittelwert betrachten. Alle meine anderen alten Kameras pendeln mit einer maximalen Streubreite von ±1/2 EV um diesen Mittelwert und haben gegebenenfalls einen kleinen Aufkleber erhalten mit der erforderlichen ±Korrektur für die einzustellende Filmempfindlichkeit.
Mein Referenz-Belichtungsmesser war jahrelang der alte Variosix F. Nach dessen Messergebnissen waren alle Filme sauber eingetestet. Daher war innerhalb meiner Verarbeitungskette auch alles in Ordnung. Jetzt weiß ich aber, dass der Variosix bei Tageslicht um reproduzierbare 0,4 EV vom Mittelwert meiner Vergleichsmessungen abweicht. Ich musste daraufhin alle früher damit ermittelten →Filmempfindlichkeiten um 1 DIN reduzieren. Das Ergebnis meines Film-Eintestens liegt jetzt auch näher bei den Empfehlungen der Kodak- und Ilford-Datenblätter.
Die gleichen Messungen habe ich dann noch bei Kunstlicht mit einer alten 100 W Glühbirne gemacht. Alle Canons, Rollei 35S, Sekonic L-208, Digisix 2 (dieser mit der für Tageslicht ermittelten Korrektur) und Minolta Spotmeter bringen auch bei Kunstlicht ein einheitliches Ergebnis. Bei folgenden Belichtungsmessern muss korrigiert werden:
Profisix, Variosix F und Mamiya 6: −0,7 EV
Sixtomat F2 und Rolleiflex: −1,0 EV.
Die Korrektur in Richtung weniger EV bei den genannten Belichtungsmessern bedeutet mehr Belichtung. Eine Kunstlichtaufnahme ohne Korrektur des Messwerts ergäbe also eine satte Unterbelichtung. Gleichzeitig hat Schwarzweißfilm bei Kunstlicht typischerweise eine um 1-2 DIN geringere Filmempfindlichkeit als bei Tageslicht. Der Film kompensiert leider nicht diese Belichtungsmesserabweichungen, sondern diese liegen doppelt falsch. Laut dem Service bei Gossen haben die älteren SBC Zellen wie z.B. beim Profisix Probleme im Rotspektrum. Mein Sixtomat F2 (mit der größten Abweichung bei Kunstlicht) ist aber ein relativ neues Modell aus dem Jahr 2018. Wer bei Kunstlicht fotografiert, muss also unbedingt Belichtungsmesseranzeige und reale Empfindlichkeit des verwendeten Films aufeinander eintesten. Oder noch besser: Trotz moderner Messtechnik empfehle ich bei allen vom Standard abweichenden Fällen Belichtungsreihen.
Jetzt könnte ich noch weitere Messreihen durchführen, z.B. zur Blitzlichtauswertung oder zur Überprüfung der Linearität bei 15 EV ↔ 8 EV oder eine eigentlich nicht besonders sinnvolle Gegenüberstellung Lichtmessung ↔ Objektmessung. Vor allem Letzteres hat wieder mein Vertrauen in renommierte Belichtungsmesser erschüttert: Ein schneller Vergleich der Lichtmessung ergab bei identischer Tageslichtsituation eine Streubreite von 1 EV. Selbstverständlich waren die Belichtungsmesser so kalibriert, dass die Messergebnisse bei Objektmessung auf dieselbe weiße Fläche identisch waren. Demnach ist zumindest bei den hier verglichenen Geräten die Lichtmessung mit Diffusor nicht annähernd ein Ersatz für eine Kontrastmessung. Das deckt sich mit meinen gemischten Erfahrungen, das Ergebnis einer Lichtmessung direkt für die Belichtungseinstellung an der Kamera zu verwenden. Dagegen sind alle hier getesteten Geräte hervorragend geeignet für den ursprünglichen Zweck der Lichtmessung, nämlich zur Messung des →Beleuchtungskontrastes. Eine absolute Messgenauigkeit ist dazu nicht erforderlich, und beim Anblick so mancher verkratzter und vergilbter, alter Plastikdiffusoren auch nicht möglich. Weiteren Test-Frust erspare ich mir, denn nach →Norm dürfen Belichtungsmesser um bis zu 1/2 Blendenstufe falsch anzeigen, was sie nach meinen Erfahrungen auch tatsächlich tun! Bei Lichtmessung kommen dann noch zulässige ±20% Abweichung bei der Lichtdurchlässigkeit des Diffusors dazu! Es ist also eigentlich alles in Ordnung, spätestens nach kleinen Eingriffen in die Kalibrierung, wie es bei meinen Gossen-Belichtungsmessern notwendig und auch so vorgesehen ist. Zusätzlich gilt immer noch meine Empfehlung, sich auch mit der bereits erwähnten, herstellerunabhängigen Sunny-16-Regel vertraut zu machen und damit Erfahrung zu sammeln.
Welcher Belichtungsmesser ist jetzt der beste?
Diese eingangs gestellte Frage kann ich nach dem Vergleich meiner begrenzten Auswahl, die mir zur Verfügung stand, leider nicht beantworten. Der beste Belichtungsmesser ist natürlich immer der, den man dabei hat. Als Alternative empfehle ich, gleich richtig zu klotzen und auf einen ordentlichen 1°-Spotbelichtungsmesser zu sparen, zumindest auf einen Belichtungsmesser mit Sucher, bei dem man genau weiß, was man anmisst. Allerdings ist ein solches Gerät nicht mehr hosentaschentauglich, so dass ich es nur mitschleppe, wenn ich mit großer Fototasche unterwegs bin (also eigentlich nie).
- Meine persönliche Empfehlung als immer-dabei-Belichtungsmesser geht klar an den kleinen Sekonic Twinmate L−208, weil er weder bei Tageslicht noch bei Kunstlicht eine Korrektur erfordert und seine Batterie wahrscheinlich ewig hält. Er ist kompakt und handlich, ist aktuell der Handbelichtungsmesser mit dem günstigsten Neupreis und zeigt auf seiner Skala sogar den Messwinkel an. Die Tatsache, dass sein Messbereich nur bis 3 EV (bei 100 ISO) reicht, hat mich bisher noch nie eingeschränkt. Das entspräche etwa einer Szene bei nächtlicher Straßenbeleuchtung mit Blende 2,8 und 1s.
- Etwas flacher und noch besser für die Hosentasche geeignet ist der Gossen Digisix 2. Außer der Farbe der Drehscheibe konnte ich weder im Datenblatt noch bei der Anwendung einen Unterschied zum früheren Digisix feststellen. Den Zusatz „2“ scheint er nur von der Marketing- oder Designabteilung erhalten zu haben. Die ISO-Einstellung ist etwas umständlich, kann sich dafür aber auch kaum versehentlich verstellen. Als Digitalgerät bringt er noch Zusatzfunktionen mit, über deren Sinn man streiten kann, wie z.B. Wecker, Timer oder Thermometer. Um das einschließlich der erforderlichen EV-Korrektur in ganzem Umfang bedienen zu können, braucht es ständig einen Blick in die Anleitung oder alternativ wildes Geklicke in der richtigen Reihenfolge der zwei Knöpfe. Ein weiterer Nachteil: Egal ob man den Digisix benutzt oder nicht, ist als Folge dieser Schnickschnacks auch eine Markenbatterie immer recht schnell leer (ca. 2x jährlich), und zwar nach dem Gesetz von Murphy genau dann, wenn man ihn braucht.
- Der alte Profisix von 1977 ist ein großer Klotz, wiegt das Siebenfache und kann auch nicht viel mehr als diese beiden „Kleinen“. Er ist also wie die ähnlich großen Lunasix-Varianten eher etwas für leidensfähige Nostalgiker. Sein sagenhafter Messbereich ab −5 EV (bei 100 ISO) hat keinerlei praktische Bedeutung. Erstens ist es dann so dunkel, dass man die Anzeige gar nicht mehr ablesen könnte. Zweitens ist wegen des Schwarzschildeffekts für solche Fälle sowieso eine Belichtungsreihe anzuraten. Mit seiner genialen Dreh-Rechenscheibe reizt der Profisix aber zum Spielen: Man kann damit EV-Korrekturen oder lineare Verlängerungsfaktoren einstellen, oder auch nach →Zonensystem à la Adams auswerten. Bei Kunstlicht erfordert er leider eine deutliche Korrektur, was ihn für Nachtaufnahmen endgültig disqualifiziert. Ein weiterer Nachteil ist das Alter. Der letzte Gossen-Mitarbeiter, der diese ehemals hochwertigen Geräte aus der vor-digitalen Zeit noch reparieren konnte, ist leider verstorben, und die Wartung wurde komplett eingestellt. Daher gibt es ihn recht günstig, wie auch die technisch ähnlichen Luna-Pro F, Lunasix F, Lunalite. Von den noch älteren Lunasix-Varianten mit CdS-Sensor sollte man die Finger ganz weglassen, außer für eine Sammlervitrine.
- Einen Pluspunkt in der Handhabung erhält der nicht mehr angebotene Gossen Variosix F oder F2 mit seinem drehbaren Sensor, ähnlich wie der aktuelle Gossen DigiPro F2. Dafür haben diese als systembedingten Nachteil einen abnehmbaren und damit verlierbaren Diffusor (dicker Minuspunkt). Nicht nur bei Kunstlicht, sondern auch bei Tageslicht ist beim Variosix leider eine deutliche Korrektur erforderlich! Der optionale 5°-Spotvorsatz mit Durchsichtsucher ist zwar ganz nett, macht aber aus dem Variosix noch lange keinen wirklich brauchbaren Spotbelichtungsmesser. Wenigstens weiß man damit genau, welche Stelle man angemessen hat.
- Der Sixtomat F2 hat das gleiche LCD-Display wie der Variosix mit Anzeigegenauigkeit 0,1 EV und beherrscht ebenfalls Blitzlichtmessung mit und ohne Kabel. Die Bedienung wird durch Tasten ohne spürbaren Druckpunkt erschwert. Da wurde leider etwas arg gespart, was ihn billig wirken lässt. Dafür schätze ich das Display, das neben dem genauen EV-Wert auch stets eine analoge Blendenskala zeigt (gerundet auf für Negativfilm ausreichende halbe Stufen). Diese Blendenskala fehlt beim Konkurrenzgerät Sekonic L-308, das mir bei diesem Vergleich leider nicht zur Verfügung stand.
- Das alte Minolta Spotmeter-F mit 1° Messwinkel ist mein Top-Gerät, sicher ein hochwertiger und anerkannt vertrauenswürdiger Belichtungsmesser. Trotzdem rate ich vom Gebrauch eines solchen Spotbelichtungsmessers für normale alltägliche Fotografie auf KB-Film oder Rollfilm ab. Wenn man seinen Film nicht genau eingetestet hat und nicht weiß, wie man damit richtig misst, hat man beliebige Fehlerquellen für vermurkste Belichtungen. Wenn man sich dagegen Zeit nimmt, ist das z.B. bei Landschafts- und Architekturfotografie auf Mittel- oder Großformat das ideale Gerät zum genauen Ausmessen der Schattenzonen und des Motivkontrasts. Auch gut zu wissen: Alle Wartungs- und Reparaturarbeiten an Minolta-Belichtungsmessern wurden von der bis dahin zuständigen Firma Kenko/Tokina im Nov.2022 eingestellt.
- In der Handhabung ist der Sekonic Twinmate L−208 als analoges Zeigerinstrument allen anderen Geräten dieses Vergleichs überlegen. Man drückt den Messknopf, bringt mit einem Finger an der Drehscheibe die Zeiger zur Deckung und kann dann unmittelbar alle Zeit-Blenden-Kombinationen direkt ablesen - und das alles in konkurrenzlos bequemer und intuitiver Einhandbedienung. Der Profisix arbeitet ähnlich, ist jedoch für eine bequeme Einhandbedienung zu groß und klobig. Beim Digisix muss man nach der Messung erst die EV-Anzeige im Display ablesen, diesen eigentlich uninteressanten EV-Wert auf die Drehscheibe übertragen und kann dann erst die Belichtungskombinationen ablesen. Bei allen anderen digitalen Belichtungsmessern fehlt der Gesamtüberblick über alle Zeit-Blenden-Kombinationen.
- Noch eine Empfehlung zum Schluss: Zum Digisix (billige Knopfzelle) und Variosix F (9V-Block) am besten immer eine passende Reservebatterie bereithalten und auf der Unterseite einen Aufkleber mit der leider notwendigen EV-Korrektur draufpappen! Nach dem regelmäßig notwendigen Batteriewechsel sind nämlich alle Einstellungen gelöscht.
Enttäuschendes Ergebnis dieses Kurztests: Die absolute Vergleichbarkeit der Anzeigen etlicher Belichtungsmesser lässt zu wünschen übrig, was bei so teuren Messgeräten eigentlich ein Unding ist. Die →Normen lassen den Herstellern hier einen Spielraum, welche Belichtung ein repräsentatives, durchschnittliches Motiv erfordert.
Mein persönliches Fazit
Kein noch so toller Belichtungsmesser und schon gar nicht eine Graukarte ersparen uns das Mitdenken und die Kenntnis der technischen Zusammenhänge rund um die Fotografie auf SW-Film. Wir wollen aber auch nicht übertreiben und mit den wissenschaftlichen Methoden der Physiker einen Messwert auf die x-te Stelle nach dem Komma genau ermitteln. Eine absolut richtige Belichtungsmessung ist mit üblichem Fotografenwerkzeug offensichtlich nicht ganz einfach. Am besten definiert jeder für sich selbst, was „seine“ richtige Belichtung ist, gemessen mit „seinem“ Referenz-Belichtungsmesser und passend zu „seiner“ Verarbeitungskette - und im Zweifelsfall hat man dann noch „seine“ individuelle Erfahrung. (Fotografinnen ersetzen bitte „seine“ durch „ihre“.)
Lediglich Diafilme brauchen eine punktgenaue Belichtung. Abweichungen von plus/minus einer halben Blende wären dort bereits deutlich sichtbar. Solche Streuungen können übrigens auch bei hochwertigen Kamerasystemen schon nach einem Objektivwechsel ins Spiel kommen, z.B. durch unterschiedlich hohe Transmissions-Verluste oder Abweichungen in der Blendensteuerung. Gott sei Dank haben wir mit der Schwarzweißfotografie eine sehr tolerante Technik. Daher habe ich die Testerei wieder aufgegeben und einfach einen Belichtungsmesser mit leicht und genau ablesbarer Digitalanzeige zu meinem persönlichen Tageslicht-Referenzgerät erklärt.
In einer uralten Kodak-Broschüre stand einmal sinngemäß:
Copyright © 2009-, Dr. Manfred Anzinger, Augsburg
Stand: , wird gelegentlich korrigiert und bei neuen Ideen fortgesetzt.